Produktionskosten von Industriegütern

Wie Hersteller Kosten senken und krisenfest produzieren können

Industrial Maschine Factory Cost-out industrial Goods
05.11.2025 | Artikel

Das industrielle Rückgrat Europas steht vor einer strukturellen Bewährungsprobe. Laut dem Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA) wird die Produktion nach einem Rückgang von acht Prozent im Jahr 2024 voraussichtlich nochmals um zwei Prozent schrumpfen. Die äußeren Rahmenbedingungen bleiben unbeständig: Globale Lieferketten geraten durch geopolitische Spannungen zunehmend unter Druck. Handelsbarrieren nehmen zu, und chinesische Wettbewerber bauen ihre technologische Führungsposition sowie ihre Preisvorteile rasant aus. Für viele Hersteller entsteht daraus ein gefährlicher Spagat zwischen anhaltender Kosteninflation und sinkender Nachfrage. Steigende Kosten bei gleichzeitig schwacher Auslastung belasten die Ertragslage erheblich. Die durchschnittliche Werksauslastung lag im zweiten Quartal 2025 bei nur 76,9 Prozent – ein Spiegelbild der schwierigen Marktsituation. Einige Hersteller von Industriegütern arbeiten inzwischen sogar mit weniger als der Hälfte ihrer Kapazität. Kostensenkungsmaßnahmen, um dem entgegenzuwirken, konzentrieren sich traditionell auf den Einkauf: Lieferverträge neu verhandeln, Bedarfe bündeln oder Materialien austauschen. Doch dieses Potenzial ist weitgehend ausgeschöpft. Da die Herstellungskosten (COGS) 60 bis 70 Prozent der Gesamtausgaben ausmachen, liegt die nächste Wettbewerbsgrenze nicht mehr in dem, was Unternehmen einkaufen, sondern darin, wie sie produzieren.

 

Senkung der Produktionskosten rückt in den Fokus

In der gesamten Industrie ist die Senkung der Produktionskosten zu einer strategischen Priorität geworden. Laut der „Manufacturing Cost Optimization Survey 2024“ zählen 87 Prozent der Unternehmen die Reduktion der Produktionskosten zu ihren drei wichtigsten operativen Zielen. Im Schnitt streben sie Einsparungen von rund zwölf Prozent an – Spitzenreiter sogar bis zu dreißig Prozent. Doch trotz dieser Ambitionen bleiben viele Kostensenkungsprogramme hinter den Erwartungen zurück. Der Grund liegt nicht im fehlenden Willen, sondern an der nötigen Tiefe in der Umsetzung. Budgetstopps oder pauschale Stellenkürzungen bringen kurzfristig Entlastung, schaffen aber selten nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Im Gegenteil: Sie können Produktivität, Motivation und Innovationskraft schädigen. Dauerhafte Kostenoptimierung erfordert strukturellen Wandel – ein Umdenken in Produktionsnetzwerken, Entscheidungsprozessen und Leistungssteuerung.

Einsparpotenziale in der Produktion nach Kostenkategorien.

Einsparpotenziale in der Produktion nach Kostenkategorien.

Einsparpotenziale in der Produktion nach Kostenkategorien.
Einsparpotenziale in der Produktion nach Kostenkategorien.

Das 35-Prozent-Potenzial

Analysen von Porsche Consulting zeigen: Bis zu 35 Prozent der gesamten Produktionskosten lassen sich durch einen strukturierten, ganzheitlichen Ansatz einsparen. Dieses Potenzial liegt in der Integration von operativer Exzellenz, digitaler Transformation und optimalem Organisationsdesign in den täglichen Produktionsalltag. Unternehmen, die Lean-Methoden und kontinuierliche Verbesserungsprozesse verankern, vermeiden nicht nur Verschwendung, sondern beschleunigen auch Materialflüsse und verkürzen Durchlaufzeiten. Vereinfachte Strukturen und klare Rollen reduzieren Reibungsverluste, während ein intelligentes Anlaufmanagement neue Produktionslinien schneller zur optimalen Leistung bringt. Digitale und KI-gestützte Lösungen steigern zusätzlich die Effizienz – durch präzisere Planung, bessere Qualitätskontrolle und vorausschauende Wartung. Auch Energie- und Ressourceneffizienz sind heute zentrale Leistungsfaktoren. Wer Nachhaltigkeit mit Produktivität verknüpft, senkt Emissionen und Kosten zugleich. Netzwerk- und Footprint-Anpassungen ermöglichen weitere Einsparpotenziale, etwa durch Spezialisierung, Verkleinerung oder Konsolidierung von Standorten. Zusammengenommen kann die systematische Kombination aus Operational Excellence, Organisationsdesign und optimierten Produktionsnetzwerken bis zu einem Viertel der Gesamtkosten einsparen.

 

Kurzfristige Erfolge mit langfristiger Strategie 

Erfolgreiche Programme zur Kostenreduktion folgen einem dreistufigen Vorgehen:

  1. Strategische Leitplanken: Beginnend mit einer detaillierten Kostenstruktur, unterteilt in direkte und indirekte Personalkosten, Gemeinkosten, Nebenkosten der Beschaffungskosten und sonstige Kosten. Unternehmen vergleichen sich mit den führenden Unternehmen ihrer Branche und definieren ambitionierte Ziele für einzelne Funktionen oder Standorte. Diese Ziele sind auf die langfristige Unternehmensstrategie abgestimmt – etwa auf die Optimierung des Produktionsnetzwerks
  2. Maßnahmenplan: Maßnahmen mit hoher Wirkung werden priorisiert und in Pilotbereichen getestet. Dabei wird Top-down-Steuerung mit Bottom-up-Engagement kombiniert. Programmverantwortliche arbeiten eng mit den Teams auf dem Shopfloor zusammen, um die Machbarkeit zu prüfen und Eigenverantwortung zu fördern.
  3. Wirkung absichern: Skalierbare Systeme zur Nachverfolgung überwachen die Umsetzung, messen Ergebnisse und sichern den Roll-out über alle Standorte hinweg. Dazu gehören Netzwerk-Hubs, standardisierte Reporting-Templates und Erfahrungsaustauschformate. KPIs wie Auslastung, Gesamtanlageneffektivität, Ausschussquote und Personalrelationen dienen als Steuerungsgrößen.

Die Programmsteuerung basiert auf klar definierten Rollen – von lokalen Verantwortlichen über zentrale Projektkoordination bis hin zur Leistungsnachverfolgung auf Führungsebene. Transparente Soll-Ist-Vergleiche und gemeinsam genutzte Dashboards sorgen für Tempo und klare Ausrichtung.

Strategische Hebel zur Optimierung der Produktionskosten und deren Wirkungsbereiche.

Strategische Hebel zur Optimierung der Produktionskosten und deren Wirkungsbereiche.

Strategische Hebel zur Optimierung der Produktionskosten und deren Wirkungsbereiche.
Strategische Hebel zur Optimierung der Produktionskosten und deren Wirkungsbereiche.

Beispiel aus der Praxis: Mehr als 11 Prozent Einsparung realisiert

Ein prominentes Beispiel aus dem Maschinenbau zeigt: Ein Kostenreduktionsprogramm erzielte über elf Prozent Einsparung der gesamten Produktionskosten – darunter 19 Prozent bei den indirekten Personalkosten. Der Schlüssel lag nicht in einem revolutionären Konzept, sondern in konsequenter Umsetzung und Skalierung. Jeder Manager erhielt konkrete Ziele, verknüpft mit persönlichen Leistungsbewertungen. Schnelle Pilot-Rollout-Zyklen beschleunigten das Lernen und verhinderten Stillstand. Das Team konzentrierte sich auf wenige, wirkungsstarke Hebel statt auf viele kleine Initiativen. Von der Planung bis zum messbaren Erfolg wurde jede Maßnahme eng begleitet. Durch institutionalisierte Transparenz und Verantwortlichkeit übertraf das Unternehmen nicht nur seine Ziele, es etablierte auch eine Blaupause für zukünftige Programme.

 

Kostentreiber erkennen, Entscheidungen richtig gewichten

Ein tiefgehendes Verständnis darüber, welche Bestandteile der Produktionskosten steuerbar sind, ist entscheidend für den Erfolg jedes Kostenoptimierungsprogramms. Etwa 79 Prozent der Gesamtkosten in der Produktion lassen sich beeinflussen. Die größten Hebel liegen bei den direkten Personalkosten, die 40 bis 50 Prozent ausmachen und vor allem Löhne in der Fertigung umfassen. Indirekte Personalkosten liegen bei 20 bis 30 Prozent und betreffen unterstützende Funktionen sowie Aufsicht. Ebenfalls 20 bis 30 Prozent entfallen auf Gemeinkosten, darunter Energie, Gebäude, Instandhaltung, IT und Leasing. Kleinere, aber dennoch relevante Bereiche sind die Nebenkosten der Beschaffungskosten – etwa Materialien, Verbrauchsgüter und ausgelagerte Services – sowie sonstige Kosten, die zwischen fünf und 15 Prozent liegen. Innerhalb der Gemeinkosten bieten insbesondere Energie und Instandhaltung konkrete Einsparpotenziale, erhalten jedoch traditionell weniger Aufmerksamkeit als der Faktor Arbeit. Kennzahlen wie die Gesamtanlageneffektivität (OEE), Lagerreichweiten (je nach Branche zwischen 30 und 120 Tagen), Automatisierungsgrad und Auslastung zeigen zusätzliche Möglichkeiten zur operativen Verbesserung auf.

Doch die Identifikation von Kostentreibern ist nur die halbe Miete. Industrieunternehmen müssen kurzfristige Einsparungen mit langfristiger strategischer Ausrichtung in Einklang bringen. Personalabbau darf essenzielle Kompetenzen in den Bereichen Automatisierung, Digitalisierung und Produkteinführung nicht gefährden. Produktsimplifizierung muss die nötige Flexibilität erhalten, um auf Kundenanforderungen reagieren zu können. Anpassungen im Produktionsnetzwerk sollten mit Blick auf Resilienz geplant werden, damit Werke sowohl Anforderungen verschiedener Kunden als auch künftige Volumensteigerungen bewältigen können. Programme, die solche strategischen Leitplanken berücksichtigen, ermöglichen substanzielle Kostensenkungen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit von morgen zu gefährden. Das freigesetzte Kapital kann anschließend in Industrie-4.0-Initiativen, digitale Lieferketten oder energieeffiziente Produktionskonzepte reinvestiert werden – und so Effizienzgewinne in eine Grundlage für nachhaltiges Wachstum verwandeln.

 

Unkonventionelle Ansätze für die nächste Leistungsstufe

Drei innovative Ansätze heben Top-Programme von klassischen Lean-Initiativen ab:

  1. Dynamische Arbeitszeitmodelle („Dark Factories“): Produktion nachts oder am Wochenende mit Minimalbesetzung reduziert indirekte Kosten und erhöht Auslastung. Erfordert neue Schichtmodelle und Ergonomiekonzepte.
  2. KI-gestützte „Predictive Maintenance“ mit standortübergreifender Sensorik: Gemeinsame Datennutzung zur frühzeitigen Fehlererkennung senkt Stillstand und Wartungskosten.
  3. Wertbasierte Produktsimplifizierung: Varianten nicht pauschal streichen, sondern nach Wertbeitrag bewerten, z. B. nach Deckungsbeitrag, Wiederbestellrate oder Fehlerkosten.

 

Kostenreduktion als Grundlage für nachhaltige Transformation

Selbst die besten Initiativen zur Kostensenkung bergen Risiken: Wenn Einsparziele dominieren, leidet die Motivation. Wenn Geschwindigkeit über Qualität geht, steigen Fehlerquoten. Wer unterstützende Funktionen zu stark abbaut, riskiert, die Innovationsfähigkeit des Unternehmens langfristig zu schwächen. Gute Führung begegnet diesen Risiken mit Veränderungsmanagement, klarer Kommunikation und dem Erhalt strategischer Kompetenzen. Pilotphasen und kontinuierliche Qualitätskontrolle schaffen die Basis für eine Skalierung, sodass die Ambition auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Die Industrie steht vor einer historischen Chance: Wer gezielt operative, organisatorische und digitale Maßnahmen ergreift, kann 20 bis 35 Prozent der Produktionskosten einsparen. Der Unterschied liegt nicht im Konzept, sondern in der konsequenten Umsetzung. Programme, die Kostensenkung mit strategischen Zielen verbinden, Leistung transparent steuern und durch schnelle Lernzyklen skalieren, schaffen nicht nur schlankere, sondern auch widerstandsfähigere und zukunftsfähige Organisationen.

 

Kernaussagen

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Bis zu 35 Prozent Einsparung sind durch die Kombination von operativer Exzellenz, optimalem Organisationsdesign und Netzwerkoptimierung möglich.
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Erfolgreiche Programme verbinden kurzfristige Liquiditätsziele mit langfristigen Digital- und Innovationsstrategien.
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Die Qualität der Umsetzung entscheidet: Klare Verantwortlichkeiten, schnelle Pilotierungen und eine skalierbare Nachverfolgung machen den Unterschied.

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Dirk Pfitzer, Senior Partner Baubranche, Energiewirtschaft, Industriegüter
Dirk Pfitzer
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