Der europäische EMS-Markt ist fragmentiert und vom asiatischen Markt bedroht
Der Markt für elektronische Baugruppen ist in Europa im Segment der kleinen und mittelständischen Unternehmen stark fragmentiert. Die Hersteller sind oft auf spezifische Komponenten spezialisiert (z. B. Surface-mount-Technology-Komponenten, die eine besonders effiziente Leiterplattenbestückung ermöglichen). Gleichzeitig erzielen weniger als vier Prozent der EMS-Hersteller mehr als 70 Prozent des Umsatzes. Diese Entwicklung treibt die Marktkonsolidierung weiter voran. Allein im Januar und Februar 2024 kam es zu zwölf Fusionen und Übernahmen. Kleine und mittelständische Unternehmen kämpfen in diesem Umfeld darum, Skaleneffekte zu erzielen, und müssen ihre begrenzten Ressourcen für Forschung und Entwicklung effizient einsetzen. Es bestehen weiterhin beträchtliche Umsatzpotenziale, da EMS-Unternehmen aktuell nur 43 Prozent des europäischen Leiterplatten-Marktes (Printed Circuit Board Assembly – PCBA) abdecken (57 Prozent liegen bei den OEMs).5
Die steigende Abhängigkeit von Nicht-EU-Märkten (trotz EU-Initiativen) stellt für die europäische EMS-Branche ein zunehmendes Risiko dar. Insbesondere bei der Leiterplattenfertigung wird dieser Anteil von 82,5 Prozent im Jahr 2023 auf etwa 89 Prozent im Jahr 2035 steigen, beispielsweise bei der Herstellung von Smartphone-Platinen, Motherboards oder Steuergeräten. Der Handelsverband Association Connecting Electronics Industries (IPC) erwartet, dass der EU-Marktanteil bei kritischen Elektronikkomponenten, Leiterplatten und fortschrittlichen Verpackungen von zuletzt 17 Prozent bis 2035 auf ca. 15 Prozent sinken wird. Vor allem aus Asien wird ein zunehmender Preisdruck durch Überangebot sowie ein erhöhtes Risiko durch Produktkopien oder technische Zwillinge erwartet.6
Zunehmende Flexibilisierung und Geschwindigkeit gefordert
Die kurzen Produktlebenszyklen (z. B. Engine Control Units für Assistenzsysteme im Automobil) und schnelllebigen Marktveränderungen der Branche erfordern immer höhere Flexibilität bei Produktionsvolumen und in der Erfüllung individueller Kundenanforderungen, wie z. B. in der Prototypenentwicklung. Im europäischen Markt gewinnen vor allem Zuverlässigkeit und Präzision als kritische Erfolgsfaktoren für EMS-Hersteller an Bedeutung. Die kontinuierliche Einhaltung und Weiterentwicklung von Qualitätsstandards stellen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei Zertifizierungen zunehmend vor Herausforderungen hinsichtlich Kosten oder Ressourcen. Steigende Material-, Energie- und Arbeitskosten, rückläufige Auftragszahlen und Kapazitätsauslastungen in Teilen der Branche erhöhen den Margendruck. Zusätzlich belasten Ausgaben für Cybersicherheit, Inflation und hohe Zinsen die Finanzlage der Unternehmen.7,8
Drei Chancen für europäische EMS-Unternehmen
Um sich trotz all dieser Hürden langfristig erfolgreich zu positionieren und bedeutende Wettbewerbsvorteile für sich und ihre Kunden zu sichern, sollten europäische EMS-Unternehmen gezielt ihre Stärken ausspielen und drei Kernthemen in den Fokus nehmen: Kundenorientierung, Technologien und Resilienz.
E2E-Auftragsabwicklung steigert Kundenorientierung und operative Effizienz
Die kundenorientierte Zusammenarbeit ist ein zentraler Erfolgsfaktor für europäische EMS-Unternehmen im kleinen und mittelständischen Segment. Die konsequente Fokussierung auf den Kunden ermöglicht es, individuelle Anforderungen besser zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Unternehmen, die ihre Strukturen und Prozesse auf Flexibilität ausrichten, sind in der Lage, schnelle Produktionszyklen mit hoher Qualität zu kombinieren. Für EMS äußert sich dies beispielsweise in der Entwicklung, Erprobung und Auslieferung von Prototypen innerhalb weniger Tage. Um diese Vorteile vollständig zu nutzen und dauerhaft zu sichern, ist die Implementierung eines ganzheitlich am Kunden ausgerichteten und durchgängig organisierten Order-to-Delivery-Prozesses unerlässlich (End-to-End). Verlässliche Lieferperformance, hohe Flexibilität und schnelle Reaktionsfähigkeit lassen sich so mit stabilen und profitablen operativen Abläufen vereinbaren. Die Effektivität dieses Prozesses hängt von drei Schlüsselfaktoren ab: einem klar definierten durchgängigen Prozess vom Vertrieb bis zur Auslieferung, angepassten und durchgängigen operativen Tools sowie einem integrierten Zusammenarbeitsmodell über alle Abteilungen hinweg. Ein auf diese Weise exzellent und durchgängig ausgelegter Auftragsabwicklungsprozess kann für die Unternehmen signifikante Kostenvorteile bringen. Erfahrungen zeigen bis zu 25 Prozent geringere Durchlaufzeiten, bis zu fünf Prozent gesunkene Material- und Transportkosten sowie Produktivitätssteigerungen und eine Verbesserung der Wiederbeschaffungszeiten von über 15 Prozent. Für EMS-Unternehmen, die sich in einem Spannungsfeld zwischen Komponentenlieferant und Systemanbieter befinden, bildet dieser Prozess die Grundlage für nachhaltige Profitabilität ohne Kompromisse bei der Kundenzufriedenheit.