Bei der Volkswagen Industrial Cloud geht es um bedeutend mehr als nur die Vernetzung physischer Infrastruktur. Nihar Patel, Executive Vice President New Business Development bei Volkswagen, und Jonathan Allen, Professional Services Director von Amazon Web Services (AWS), erklären, wie die Cloud Innovationen entlang der Wertschöpfungskette in der Automobilindustrie und weit darüber hinaus anschieben kann.
Was genau ist die Vision, die hinter der Volkswagen Industrial Cloud steht?
Nihar Patel: Bei der Industrial Cloud handelt es sich um eine digitale Plattform, die Volkswagen, AWS und Siemens entwickelt haben. Wir verfolgen das gemeinsame Ziel, eine umfassende Sammlung von Lösungen des Industrial Internet of Things (IIoT) und datengetriebene Optimierungen anzubieten, um die Abläufe in unseren Werken und entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu transformieren. Innerhalb der Volkswagen Gruppe wird sie die Daten aller Maschinen, Werke und Systeme bündeln, da wir alle Standorte weltweit vernetzen. So wird die Cloud zum Fundament der digitalen Transformation von Produktion und Logistik der gesamten Gruppe und ein wichtiger Hebel, um unsere Produktivität um 30 Prozent zu steigern. Und sie ist als eine offene Industrieplattform angelegt, um weitere Partner wie Fertigungs- und Technologieunternehmen einzubinden. Jeder Teilnehmer der Industrial Cloud kann softwarebasierte Lösungen beisteuern und nutzen.
Wie ist die Partnerschaft für ein derart innovatives und ehrgeiziges Projekt entstanden?
Patel: Vor gut zwei Jahren waren wir auf der Suche nach Möglichkeiten, um unsere Fertigung und Logistik ins digitale Zeitalter zu überführen. Mit IIoT-Lösungen wollen wir unsere Werke effizienter machen. Volkswagen besitzt fundierte Kenntnisse über industrielle Prozesse und Exzellenz in der Fertigung. Für die Industrial Cloud benötigten wir allerdings Partner, die uns helfen – insbesondere einen starken Cloud-Partner. Wegen ihrer umfangreichen Expertise bei innovativen Cloud-Technologien, speziell im produktionsnahen Umfeld, haben wir uns für Amazon entschieden.
Jonathan Allen: Das AWS-Portfolio umfasst mehr als 175 Services in den Bereichen Computing, Speicher, Datenbanken, Netzwerke, Robotik und maschinelles Lernen. Wir setzen viele dieser Technologien für die Industrial Cloud ein, maßgeschneidert für die speziellen Anforderungen von Volkswagen. Aber wir gehen gleichzeitig auch neue Wege. Unser IoT-Service-Team und die Fachleute von Volkswagen arbeiten von Berlin aus gemeinsam am Aufbau der Plattform. Diese enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe stellt sicher, dass unsere Dienste und Angebote kontinuierlich ausgebaut werden.
Die Industrial Cloud ist als offene Plattform angelegt. Was genau bedeutet das — und warum haben Sie sich für diese Architektur entschieden?
Patel: Beim Thema Offenheit geht es um zwei Ebenen. Einmal ermutigen wir innerhalb der Volkswagen Group die Mitarbeiter aller Marken, Anwendungen zu entwickeln, egal ob sie einen örtlichen Bezug haben oder für den weltweiten Einsatz in der Gruppe geeignet sind. Darüber hinaus gibt es die Welt der externen Partner. Wir wollen ein lebendiges digitales Netzwerk schaffen, das wächst und gedeiht, indem alle Partner innovative Ideen in die Plattform einbringen. Die Cloud ermöglicht es ihnen, bei Transaktionen dieselbe Sprache zu sprechen. Da ist wichtig, wenn man Werke und ihre Maschinen, die teilweise 60 Jahre alt sind, mit neuer, digitaler Technologie vernetzen will.
Allen: Partner sind entscheidend für den Erfolg der Industrial Cloud. Je mehr Unternehmen dazu beitragen, bestehende Probleme zu lösen, desto dynamischer wird die Industrial Cloud. So können wir gemeinsam eine Plattform schaffen, von deren IIoT-Lösungen alle Partner profitieren, egal ob sie aus der Automobil-Welt stammen oder nicht.
Bislang beteiligen sich 13 Partner an der Industrial Cloud. Wie groß könnte diese Community werden, und welche Vorteile erwarten die Beteiligten?
Allen: Eine solche Community ist gleichermaßen attraktiv für Nutzer und Mitwirkende. Auf lange Sicht wird daraus ein Schwungrad, mit dem sich die Vorteile potenzieren. Alles fängt bei der Volkswagen Group als erstem Nutzer dieser Services an. Viele herstellende Betriebe stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Anwendungen von Partnern, die für die Industrial Cloud innerhalb von Volkswagen schon gute Ergebnisse gebracht haben, können von weiteren Kunden genutzt werden. So profitieren alle Beteiligten.
Patel: Bei der Transformation zu einem datengetriebenen Unternehmen geht es in erster Linie darum, ungenutzte Potentiale freizulegen. Wir treiben dieses Schwungrad an, indem wir unsere Werke technisch in die Lage versetzen, ihre Daten zu nutzen, um produktiver und innovativer zu werden. Zum Beispiel setzen wir Partneranwendungen ein, um unsere Wartungszyklen zu optimieren. So lassen sich Stillstandszeiten in der Produktion dank Datenanalyse verringern. Eine andere Anwendung reduziert potentielle Nachbesserungen an Fahrzeugen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz. Was wir in einem Werk entwickeln, kann auf viele andere Standorte übertragen werden.