Im Unterschied zum konventionellen, durch individuelle Projekte getriebenen Ansatz, verändert sich die Wertschöpfungskette im produktgetriebenen Ansatz maßgeblich durch eine vorgelagerte Produktentwicklung und die Möglichkeit der industriellen Fertigung. Um eine Brücke zwischen der konventionellen Bautradition mit starker Individualisierung und der Effizienz der Massenfertigung vorentwickelter Produkte zu schaffen, muss die Komponente der Konfiguration ergänzt werden. Man spricht dabei vom Configure-to-Order (CtO)-Ansatz.
Dazu erforderlich sind folgende Schritte: Erstens, die Erfassung der Kunden- und Nutzerpräferenzen (u.a.: Investoren, Eigentümer, Mieter, Facility Manager), zweitens, eine Planung, die flexible Nutzungsphasen einbezieht, drittens, die Optimierung der Produktionsprozesse durch modulare Produktarchitektur, viertens, eine effiziente Logistik, fünftens, eine Vereinfachung der Montage durch "Plug-and-Play"-Ansätze und sechstens, eine Konzeption, die die Demontage und Wiederverwendung von Bauteilen und Materialien vorsieht.
Das alles erfordert eine frühe Integration aller Beteiligten und einen kollaborativen Ansatz, was wiederum zu effizienteren, nachhaltigeren Bauprozessen und einem kundenorientierten Modell führt. Dieses Modell bietet umfassende Lösungen, reduziert Komplexität und schafft Mehrwert durch kundengerechte Immobilienprodukte, signifikante Kosten- und Zeiteinsparungen und eine konsequente Umsetzung von Nachhaltigkeitsanforderungen.
Die vorab geschilderte Produktisierung schafft die Grundlage für eine skalierte, industrielle Fertigung. Durch das Mitdenken der Produktionsprozesse im Produktdesign haben viele Branchen und Unternehmen in der Vergangenheit ihre größten Effizienzsprünge in der Fertigung gemacht. Dieses „Design for Manufacturing & Assembly“ ist eine der von den interdisziplinären Produktplanungsteams eingenommenen Perspektiven und ermöglicht einfache und schnelle Fertigungsprozesse in Fabriken und Montageprozesse auf der Baustelle. Erst durch das Zusammenwirken von Produktdesign und Produktionsprozessen wird das vollständige Potenzial der Industrialisierung ausgeschöpft.
Industrielle Fertigung bedeutet im Kern, die standardisierte Massenfertigung von gleichen oder zumindest mit gleichartigen Fertigungsprozessen und Ressourcen herstellbaren Produkten. Sie zeichnet sich durch Prozessstandardisierung, Arbeitsteilung, Automatisierung und kontinuierliche Verbesserung aus. Anders als im traditionellen Bauwesen geht es dabei aber nicht um die Arbeitsteilung im Sinne der Gewerke, sondern im Sinne des Prozesses. So werden häufig Fertigungs- und Logistikprozesse getrennt und Arbeitsstationen speziell auf bestimmte Tätigkeiten hin optimiert.
Diese veränderte Art des Bauens bedeutet auch, dass ein Umdenken erforderlich ist. Neben angepasster Regulatorik, die auf skalierte Produktion von Immobilien ausgerichtet ist, benötigen Mitarbeiter neue Kompetenzen und Unternehmen eine gewisse Größe und gute Finanzierungsbedingungen, um die nötigen Fertigungskapazitäten aufbauen und betreiben zu können. Schon heute zeigt sich, dass diese Anforderungen dafür sorgen, dass nicht nur etablierte Bauunternehmen in die industrielle Fertigung einsteigen, sondern auch disruptive Player aus anderen Branchen ihre Chance sehen und mit Finanzkraft und industrieller Expertise um Marktanteile kämpfen.
Potenziale durch Industrialisierung der Baubranche
Die industrielle Fertigung beinhaltet eine Verlagerung von Arbeitsprozessen aus der Baustelle in die kontrollierte Umgebung von Produktionsstätten. Dort sind fortlaufende Produkt- und Prozessiterarionen möglich, durch die ökonomische, ökologische und soziale Aspekte signifikant verbessert werden können.
Untersuchungen und realisierte Projekte von Porsche Consulting haben aufgezeigt, dass durch die Industrialisierung Kosteneinsparungen in Bauprojekten von bis zu 20 Prozent möglich sind. Dabei resultiert ein höherer Vorfertigungsgrad gleichzeitig in einer verkürzten Bauzeit auf der Baustelle, wo weniger verbleibende Tätigkeiten auszuführen sind. Somit können Bauzeiten drastisch auf einen Bruchteil dessen, was mit traditionellen Ansätzen möglich ist, reduziert werden. Davon profitieren nicht nur Investoren und Vermieter, die schneller Einnahmen generieren können, sondern auch Mieter, die früher ihren neuen Wohnraum beziehen können.
Innovationen der Fertigungstechnologien, Prozesseffizienz und Nachhaltigkeit sind durch die industrielle Fertigung deutlich konsequenter möglich als bei Unikatfertigung unter Umwelteinflüssen auf traditionellen Baustellen mit immer neuen Beteiligten. Dies lässt eine weitere Verbesserung der stagnierenden Effizienz in der Baubranche erwarten.
Industrialisierte Prozesse ermöglichen, bei den bereits diesbezüglich optimierten Produktdesigns, in der Fertigung weitere ökologische Vorteile gegenüber traditionellen Baustellen zu erzielen. Einerseits können im kontrollierten Umfeld Falschlieferungen, Beschädigungen und somit Reparaturarbeiten und Abfälle reduziert werden. Darüber hinaus ermöglichen Automatisierungslösungen, wiederkehrende Tätigkeiten und auf die Produkte spezialisierte Arbeitshilfen wie z.B. Werkzeuge oder Schablonen, Verschnitt zu reduzieren. Auch auf der Baustelle selbst nehmen Umweltbelastungen durch die Vorfertigung ab: Das lokale Ökosystem ist weniger stark und deutlich kürzer durch Umweltbelastungen wie Schmutz und Lärm betroffen.
Die soziale Komponente betrifft vor allem drei Parteien: Kunden, Arbeitnehmer und Lieferanten. Die erste Gruppe, Käufer und Mieter, profitieren von der Möglichkeit, durch die Effizienzsteigerungen mehr, durchdachteren und besser bezahlbareren Wohnraum zu erhalten. Der zweite Vorteil: Während die Arbeit auf der Baustelle mit hoher körperlicher Anstrengung, Witterungseinflüssen und arbeitssicherheitstechnischen Risiken verbunden ist, bietet eine Produktionshalle ein deutlich attraktiveres Arbeitsumfeld und kann so ebenfalls dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Und schließlich begünstigt die Industrialisierung die Sicherstellung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten. Dass diese für die Lieferkette immer größere Bedeutung erhält, zeigt sich auch im kürzlich in Kraft getretenen und immer mehr Unternehmen betreffenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie den Pendants dazu in vielen Ländern. Während einige mengen- und massenintensive Rohstoffe wie Zuschlagsstoffe für Beton oft lokal gewonnen werden, gilt dies für Holz und Stahl sowie für viele technische Komponenten deutlich eingeschränkter. Vor dem Hintergrund globaler Lieferketten kann der mit der geforderten Sorgfalt verbundene Aufwand den heute häufig angetroffenen Kleinunternehmen kaum zugemutet werden.1 Da das industrielle Bauen hingegen durch langfristige und intensive Lieferantenbeziehungen gekennzeichnet ist, bietet diese Art des Bauens das Potenzial, die Einhaltung von Menschenrechten konsequent zu kontrollieren und zu entwickeln.