Auch der geopolitische Risikoindikator des US-Vermögensverwalters BlackRock, welcher Marktreaktionen auf geopolitische Risiken misst, verzeichnet seit 2019 einen deutlichen Anstieg.4 Insgesamt nehmen die Häufigkeit und Schwere geopolitischer Risiken zu, sodass viele Unternehmen auf mehr Robustheit in den Lieferketten setzen. Dieser Trend wird voraussichtlich anhalten und macht geopolitische Risiken zu einem kritischen Faktor für Unternehmen weltweit. Folglich setzen viele Unternehmen das Thema Resilienz – also die Fähigkeit, sich erfolgreich an Veränderungen anzupassen – ganz nach oben auf ihre Agenda.
Trotzdem verlieren viele Unternehmen das Thema Resilienz häufig aus dem Blick, sobald eine Krise überstanden ist. Tatsächlich gibt es nur wenige Unternehmen, die ihre Erkenntnisse systematisch dokumentieren und Resilienz fest in ihre Abläufe integrieren. Der Grund dafür ist häufig eine sehr enge Definition von Resilienz. Viele Unternehmen verstehen darunter in erster Linie ein Mittel, um die betriebliche Kontinuität in Krisenzeiten kurzfristig zu sichern.1
Dabei kann eine unzureichende Resilienz-Strategie die finanzielle Bilanz von Unternehmen erheblich beeinträchtigen. Dies zeigen die Verluste, die Unternehmen aufgrund geopolitischer Entwicklungen erleiden mussten: So verzeichnete ein weltbekanntes Unternehmen für Unterhaltungselektronik Verluste in Höhe von schätzungsweise 10 Mrd. US-Dollar. Mehrere Einzelhandelsketten führten geschätzte Verluste von rund 500 Mio. US-Dollar auf geopolitische Verwerfungen zurück. Einige Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrtindustrie erleiden aufgrund von geopolitischen Umbrüchen jährliche Verluste von mehr als 7 Mrd. US-Dollar.
Warum aber führen geopolitische Risiken zu derart hohen Verlusten? Ganz einfach: Geopolitische Risiken betreffen das gesamte Unternehmen und wirken sich auf alle Funktionen aus:
• Beschaffung – durch Liefer- und Logistikrisiken
• Fertigung und Produktion – durch internationale Standorte und geografische Abhängigkeiten
• Finanzen – durch Sanktionsrisiken, den Verlust von fertigen Erzeugnissen und gebundenes Kapital
• Forschung und Entwicklung – durch den starken Einfluss des geopolitischen Wettlaufs um Technologieführerschaft
• Personalwesen – weil Mitarbeitende und die Unternehmenskultur, selbst in Hochrisikoregionen, geschützt werden müssen
• Vertrieb – wegen der Abhängigkeit von politischen und gesetzgeberischen Entscheidungen zu Einschränkungen und Sanktionen im Zusammenhang mit inländisch produzierten Waren und verwendeten Ersatzteilen
Resilienz – mehr als ein Lösungsansatz für Krisenzeiten
Mit resilienten Lieferketten können Unternehmen krisenbedingte Kosten vermeiden, indem möglichen Störungen bereits vorbeugend entgegengewirkt wird. Zum Beispiel können sie mit alternativen Beschaffungsstrategien und Pufferbeständen Kosten vermeiden, die mit Notfall-Taskforces und Expressversand einhergehen und bei der Berechnung der Gesamtbetriebskosten (TCO) meist nicht berücksichtigt wurden. Durch einen solchen proaktiven Ansatz können erhebliche finanzielle Verluste in Krisen vermieden werden. Tatsächlich hat die Hälfte der Befragten angegeben, dass sie sich durch eine bessere Resilienzplanung einen beträchtlichen Teil ihrer Krisenmanagementkosten hätten sparen können.
Lieferengpässe durch den Ukraine-Krieg oder die Coronapandemie haben gezeigt, dass resiliente Unternehmen in allen Bereichen besser abschneiden: Sie erholen sich schneller von Krisen, haben deutlich weniger Ausfallzeiten, erzielen bessere finanzielle Ergebnisse bei stabilen Umsätzen und profitieren von deutlich robusteren Lieferketten ohne wesentliche Unterbrechungen in Produktion und Vertrieb. Zu diesem Ergebnis kommt auch unsere Umfrage, in der die meisten der befragten Unternehmen zustimmen, dass resiliente Lieferketten die Liefersicherheit gewährleisten und darüber hinaus die Gesamtrentabilität des Unternehmens erhöhen.
Doch resiliente Lieferketten reduzieren nicht nur Risiken und vermeiden finanzielle Verluste in Krisensituationen. Die gewonnene Transparenz und die ergriffenen Maßnahmen können auch zu erheblichen Kosteneinsparungen, höheren Marktanteilen sowie größerer Flexibilität beim Reagieren auf plötzliche Nachfragespitzen führen. In der oben erwähnten Umfrage haben 50 % der Befragten angegeben, dass sie mindestens die Hälfte der in Krisenzeiten angefallenen Kosten für Taskforce-Aktivitäten durch eine resiliente Lieferkette hätten vermeiden können.
Vorteile auch für stabile Zeiten
All diese Tatsachen unterstreichen, dass echte Resilienz umfassender ist und unter anderem auch die Fähigkeit eines Unternehmens beschreibt, Stress zu absorbieren, kritische Funktionen wiederherzustellen und unter neuen Bedingungen zu wachsen. Somit geht Resilienz eindeutig über operative Belange hinaus und stellt einen strategischen Vorteil für Unternehmen dar.
Neben Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen bieten resiliente Lieferketten den Vorteil, dass Unternehmen selbst in Krisenzeiten Marktchancen nutzen können. Unternehmen mit robusten Lieferketten sind nämlich in der Lage, die Kundennachfrage auch dann noch zu erfüllen, wenn es bei Wettbewerbern zu Engpässen und Verzögerungen kommt. Diese Fähigkeit, die betrieblichen Abläufe aufrechtzuerhalten, sichert nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern ermöglicht es Unternehmen auch, Marktanteile von Wettbewerbern zu erobern, die weniger gut auf eine Krise vorbereitet sind. Die aktuelle Umfrage von Porsche Consulting und dem BME zeigt, dass 30 Prozent der befragten Unternehmen dank resilienter Lieferketten in der Lage waren, in Krisenzeiten höhere Umsätze zu erzielen.