Die Rolle der Personalabteilungen in Unternehmen wird seit Langem in Wirtschaft und Wissenschaft diskutiert. Auf der einen Seite besteht die Forderung, dass Personalverantwortliche bei Gesprächen auf der Vorstandsebene mit am Tisch sitzen sollten, um bei strategischen Geschäftsentscheidungen mitzuwirken. Auf der anderen Seite gab es mitunter gar Überlegungen, das Personalressort ganz abzuschaffen. Doch in Zeiten globaler geopolitischer und sozioökonomischer Herausforderungen sowie Branchen im Wandel mit sich verändernden Geschäftsmodellen ist die Funktion der Personalabteilung wieder ins Rampenlicht gerückt.
In den letzten Jahren mussten Personalverantwortliche lernen, schnell zu reagieren und Unsicherheiten zu meistern, Prioritäten anzupassen und innovative Lösungen zu entwickeln, um den Bedürfnissen auf Arbeitgeber- wie auch auf Arbeitnehmerseite gerecht zu werden. Etwa durch die eilige Umsetzung neuer Homeoffice-Regelungen während der Corona-Pandemie. Gleichzeitig wurde von Personalleitern erwartet, das Steuer in die Hand zu nehmen, wenn es darum ging, sozioökonomische Trends proaktiv in personalbezogene Maßnahmen zu überführen. Um Bewerbern und Beschäftigten maßgeschneiderte Angebote und Programme bieten zu können, bedarf es einer Personalstrategie, die optimal zum Unternehmen passt. Pauschale Lösungsansätze reichen nicht mehr aus, um sicherzustellen, dass ein Arbeitgeber wettbewerbsfähig genug bleibt, um in Zeiten des Fachkräftemangels für Mitarbeitende attraktiv zu sein und sie an sich zu binden. Für die Personalabteilungen kommt es jetzt darauf an, die eigenen Prioritäten nachzuschärfen, Werttreiber zu definieren und ein neues Selbstverständnis zu entwickeln.
In der zweiten Jahreshälfte 2024 hat Porsche Consulting Interviews mit 27 Personalentscheider*innen aus verschiedenen Branchen und unterschiedlich großen Unternehmen aus der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) geführt. Ziel war es, ihre Stimmen zu aktuellen Trends und Entwicklungen im Human-Resources-Bereich einzufangen. Dieser Impuls gibt Einblicke in ihre Zukunftsvorstellungen und leitet daraus wichtige Handlungsempfehlungen ab.
Höhere Anforderungen an Personalabteilungen
HR hat heute mehr Aufgaben denn je und muss währenddessen dringende Herausforderungen bewältigen – von der Gewährleistung der Sicherheit der Mitarbeitenden in Ländern, die von geopolitischen Umbrüchen betroffen sind, bis hin zur individuellen Personalbindung. Die Leistung der Personalabteilung wird jedoch danach beurteilt, wie gut sie die aus der allgemeinen Geschäftsstrategie abgeleitete Personalstrategie umsetzt. Die Analyse von Porsche Consulting zeigt, dass Personalvorstände ein tiefes Verständnis für globale Trends und Geschäftsstrategien besitzen und sich von der zentralen Frage leiten lassen, wie eine integrierte Personalstrategie den Unternehmenserfolg in einer mitarbeiterorientierten Wirtschaft ermöglichen kann. Daraus ergeben sich höhere Anforderungen: Um die Geschäftsanforderungen in eine kohärente Personalstrategie umzusetzen, braucht es ein hohes Maß an unternehmerischem Denken. Gleichzeitig ist es für eine nachhaltige Wertschöpfung durch die effektive Bewältigung alltäglicher, auch anspruchsvoller Aufgaben notwendig, eine starke und hoch qualifizierte, datengesteuerte HR-Organisation aufzubauen. Die Personalressorts sind bereits auf einem guten Weg, um mehr Einfluss im Unternehmen zu gewinnen, doch es gibt noch Raum für Verbesserungen.
In bestimmten Bereichen wie dem Organisationsmanagement und der strategischen Personalplanung sind die Zuständigkeiten und Aufgaben der HR-Abteilung und anderer Geschäftsbereiche oft noch nicht klar definiert und zugewiesen. Unsere Analyse bestätigt dies und macht deutlich, dass die organisatorische Transformation zu den wichtigsten strategischen Feldern und Prioritäten zählt. Unterdessen ist mehr als ein Drittel der befragten HR-Organisationen entweder gar nicht oder nur teilweise in organisatorische Veränderungen involviert. Das Ausmaß, in dem die HR-Abteilung an solchen Entscheidungen beteiligt wird, ist meist nicht durch standardisierte Vorgaben geregelt. Oft hängt es einfach von den Präferenzen des betreffenden Geschäftsbereichs ab. Um den Einfluss der Personalabteilung zu sichern und zu verstärken, ist es daher unerlässlich, dass sie sich bei anstehenden personalbezogenen Themen selbst darum kümmert, eine Führungsrolle einzunehmen. Sonst stimmen die Geschäftsbereiche ihre Vorgehensweisen möglicherweise gar nicht oder erst im Nachhinein mit dem HR-Bereich ab.
Das Steuer in die Hand zu nehmen bedeutet, auf der Grundlage einer realistischen, zukunftsorientierten HR-Roadmap die Zielrichtung vorzugeben und dabei die wichtigsten strategischen Themen oben auf die Agenda zu setzen, während andere Themen in den Hintergrund gerückt werden. All dies muss transparent und in enger Abstimmung mit dem Unternehmen geschehen.
Robuste digitale HR-Infrastruktur als Schlüssel zum Erfolg
Eine der wichtigsten Prioritäten für die Personalabteilung, um für den Fortschritt bereit zu sein, ist ihre eigene Digitalisierung. Nach wie vor werden zu viele Aufgaben manuell bearbeitet, und Personalvorstände sind immer noch in hohem Maße an operativen Fragen und Entscheidungen beteiligt – übrigens unabhängig von der Größe und dem Reifegrad des Unternehmens. HR hinkt bei der Digitalisierung immer noch hinterher; die Nutzung digitaler Daten und Künstlicher Intelligenz ist noch nicht so weit fortgeschritten wie erwartet. In einer ausgereiften HR-Organisation werden die Kapazitäten, die bislang für manuelle Aufgaben benötigt wurden, für kundenorientierte Themen freigesetzt, bei denen eine menschliche Note wünschenswert ist. Eine nahtlose und robuste digitale HR-Infrastruktur dient daher als Schlüssel zum Erfolg für eine zukunftsfähige HR-Organisation und ist eine Grundvoraussetzung für effiziente Personalarbeit.
Künftig wird es noch wichtiger werden, zusätzliche rechtliche und regulatorische Anforderungen an die Berichterstattung zu erfüllen, zum Beispiel in Bezug auf die soziale Verantwortung von Unternehmen. Ebenfalls wichtiger wird es, eine datengestützte Argumentation zu gewährleisten. Inwieweit Daten derzeit für die Entscheidungsfindung herangezogen werden, hängt von den Prioritäten des Managements, der Verfügbarkeit von Daten und der Benutzerfreundlichkeit der Anwendungen ab. Auch die Datenaffinität innerhalb der Personalabteilung spielt dabei eine Rolle, und die ist im Allgemeinen noch sehr gering. Darüber hinaus mangelt es an Leistungsindikatoren für die Personalstrategie, wenngleich die Befragten berichten, dass zunehmend nach einer Messung des Erfolgs des HR-Ressorts gefragt wird. Darum muss die Datenkompetenz zu einer Kernkompetenz der HR-Abteilung werden. Der Aufbau einer datengesteuerten HR-Organisation erhöht die Glaubwürdigkeit durch datenbasierte Argumentation und liefert eine solide Begründung für die Vorhaben und Leistungen der Personalabteilung und deren strategische Relevanz.
HR-Transformation als oberste Priorität für Personalvorstände
Fast alle untersuchten HR-Organisationen halten sich bei der Anpassung und Umsetzung agiler Komponenten an drei organisatorische Säulen. Die erste Säule besteht aus HR Business Partnern (HR BP), die bei allen personalbezogenen Themen eng mit den Geschäftsbereichen zusammenarbeiten. Die zweite besteht aus Kompetenzzentren (Centers of Expertise, COEs), die sich speziell auf Schlüsselbereiche wie Lernen, Vergütung und Sozialleistungen, Personalbeschaffung und Führung konzentrieren. Und schließlich sind die HR Service Center für die effiziente Abwicklung operativer Aufgaben zuständig. Somit bilden die Bereiche, die der HR-Vordenker Dave Ulrich ursprünglich in seinem 3-Säulen-Modell zusammengefasst hat, nach wie vor eine solide Grundlage für eine HR-Organisation. Dieses Modell passt gut zu dem zunehmenden Bedarf an spezialisierten Services. Darüber hinaus finden agile Arbeitsmethoden häufig bei der Entwicklung von HR Services oder Trainingsmaßnahmen Anwendung. Eine wichtige Stärke des Säulenmodells liegt in den klar definierten Rollen und Zuständigkeiten, die zu größerer Kohärenz, Effizienz und starker Expertise beitragen. Eine klar definierte Zuständigkeit für Themen erhöht allerdings auch die Notwendigkeit, Schnittstellen zwischen potenziell auftretenden Silos zu schaffen.
Gleichzeitig berichtet die Mehrheit der befragten HR-Führungskräfte, dass sie sich gerade inmitten der Transformation befinden. Da sich die meisten HR-Mitarbeitenden noch auf operative Aufgaben konzentrieren müssen, sind sie stark von der zunehmenden Automatisierung im Rahmen der Digitalisierung betroffen. Komplexe Geschäftssituationen, die durch Talentmangel und zunehmende rechtliche und regulatorische Anforderungen gekennzeichnet sind, erfordern einen zusätzlichen Fokus auf HR BPs und COEs. Diese Rollen verfügen über eine starke Beratungskompetenz und tiefgreifendes Fachwissen, etwa um einen zukunftsfähigen Rahmen für Vergütung und Sozialleistungen zu schaffen, Talente zu gewinnen und die Geschäftsanforderungen zu erfüllen. Daher bleibt die kontinuierliche Weiterentwicklung strategischer HR-Business Partner von größter Bedeutung. Ihre Fähigkeit, sich an strategischen Diskussionen auf Vorstandsebene beratend zu beteiligen und mit datengestützter Argumentation zu überzeugen, muss weiter gestärkt werden. Außerdem werden Fähigkeiten in den Bereichen Organisationsentwicklung und Projektmanagement als zunehmend wichtige Kompetenzen im HR-Aufgabenbereich angesehen.
Diese Erkenntnisse machen deutlich, dass HR sich aktuell in einer anhaltenden Transformation befindet, bei der sich auch die Zuständigkeiten der wichtigsten HR-Rollen ändern und andere Denkweisen und Qualifikationen erfordern. Doch häufig fehlt es noch an ganzheitlichen Lern- und Entwicklungskonzepten für das Personalwesen, um die Lücken in den strategischen und unternehmerischen Fähigkeiten zu schließen und ein neues Selbstverständnis zu schaffen. Für eine kontinuierliche Verbesserung des Betriebsmodells anhand eines umfassenden Zielbildes der wichtigsten HR-Werttreiber und einen daraus abgeleiteten ganzheitlichen Lernansatz ist deshalb die besondere Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Personalvorstände gefordert. Es ist ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die HR-Organisation leistungsfähig und effizient ist – niemand sonst im Unternehmen hat die Weiterentwicklung des HR-Ressorts auf der Agenda.
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