Die Einhaltung des 1,5°C-Ziels ist nicht nur ein globales Klimaversprechen – sie wird zunehmend zum Maßstab unternehmerischer Verantwortung und Wettbewerbsfähigkeit. Doch die Realität ist ernüchternd: Aktuelle Emissionstrends steuern auf eine Erwärmung von über 2°C zu. Laut Weltklimarat IPCC verbleiben uns lediglich rund 250 Gigatonnen CO₂, um das 1,5°C-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent zu erreichen. Die Zeit für rein symbolische Klimastrategien ist längst vorbei.1
In der Theorie klingt Net Zero einfach: Emissionen vermeiden, reduzieren, den Rest kompensieren. In der Realität aber stoßen Unternehmen zunehmend an die Grenzen klassischer Dekarbonisierungsmaßnahmen – insbesondere bei Scope-3-Emissionen, etwa aus der Nutzung oder Entsorgung von Produkten oder in emissionsintensiven Industrien. Genau hier setzen Klimatechnologien an: Sie sind nicht optional, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil jeder zukunftsfähigen Klimastrategie.2 Die Science Based Targets initiative (SBTi) unterstreicht diesen Paradigmenwechsel: In der neuen Net-Zero-Standard-Version 2.0 werden CO₂-Entnahmetechnologien (Carbon Dioxide Removal, CDR) nicht mehr nur als „letzter Schritt“, sondern als integraler Bestandteil strategischer Klimapfade anerkannt – mit klaren, kurzfristigen Zielvorgaben.
Für Unternehmen bedeutet das: Ohne den Einsatz von Klimatechnologien sind Net-Zero-Ziele nicht erreichbar. Selbst bei maximaler Effizienz und vollständigem Umstieg auf erneuerbare Energien bleiben unvermeidbare Restemissionen – insbesondere in „hard-to-abate“-Sektoren wie Chemie, Pharma, Bauwesen oder Luftfahrt. Diese Lücke schließen Technologien zur CO₂-Entnahme (CDR). Ein häufiger Irrtum: CO₂-Entnahme sei gleichzusetzen mit klassischer Kompensation. Doch nur Technologien, die physisch CO₂ aus der Atmosphäre entfernen, leisten einen dauerhaften Beitrag zum Klimaschutz. „Avoidance“-Zertifikate reichen für Net Zero nicht aus. Wer seine Klimaziele ernst nimmt, muss frühzeitig in echte CO₂-Entnahme investieren.
Klimatechnologien zum Ausgleich von Restemissionen
CDR umfasst ein breites Spektrum – von naturbasierten Lösungen wie Aufforstung und Wiederherstellung von Feuchtgebieten über meeresbasierte Verfahren wie Direct Ocean Capture bis hin zu High-Tech-Ansätzen wie Direct Air Capture (DAC), Carbon Capture, Utilization and Storage (CCUS) oder Bioenergie mit CO₂-Abscheidung (BECCS). Für Führungskräfte wie Chief Sustainability Officers (CSOs) und Chief Operations Officers (COOs) bedeutet das: Sie müssen nicht nur die Transformation steuern, sondern ein robustes, technologiegestütztes Dekarbonisierungsportfolio aufbauen.
Die Herausforderungen für Unternehmen dabei sind vielschichtig – hohe Investitionskosten, technologische Unsicherheiten, regulatorische Komplexität. Doch der Markt entwickelt sich rasant: Der europäische DAC-Markt wird bis 2030 voraussichtlich auf über 600 Mio. USD wachsen – bei einer jährlichen Wachstumsrate von über 60 Prozent.3 Gleichzeitig schafft der Net Zero Industry Act (NZIA) der EU klare Rahmenbedingungen: Bis 2030 sollen mindestens 40 Prozent des europäischen Bedarfs an strategischen Klimatechnologien aus eigener Produktion gedeckt werden – darunter DAC, grüner Wasserstoff, Energiespeicher sowie Solar- und Windtechnologie.4
Studien wie der IPCC AR6 Report5 und die IEA Net Zero Roadmap zeigen: Ohne eine jährliche CO₂-Entnahme von circa 10 Gigatonnen bis 2050 sind die 1,5°C- und selbst die 2,0°C-Ziele nicht erreichbar.6; 7; 8 Aktuell liegt die globale CDR-Kapazität bei nur rund 2 Milliarden Tonnen – davon gerade einmal 0,1 Prozent durch technologische Verfahren. Die Skalierung ist also nicht nur notwendig, sondern überfällig.9; 10