Nur realistische Ziele sind gute Ziele
Ein erster Schritt besteht darin, eine Gesamtstrategie und Dekarbonisierungsziele auf Grundlage der folgenden Frage festzulegen: Welche CO2-Emissionsverringerung können wir realistisch erreichen? Diese Frage lässt sich nur beantworten, wenn die Basisemissionen des Unternehmens über ein transparentes CO2-Inventar akkurat bewertet werden. In Bezug auf die Scope-3-Emissionen bedeutet dies, dass Unternehmen ein wirksames Programm zur Einbindung der Hauptlieferanten erarbeiten müssen, beginnend mit den Zulieferern, die die größten Emissionen verursachen. Für bestimmte Branchen existieren bereits hilfreiche Plattformen, wie das Lieferkettenprogramm von CDP, das die Datenerfassung zu Scope-3-Emissionen und die Bewertung der Emissionsleistung von Zulieferern vereinfacht.17; 18 Ist die Emissionsbelastung der Lieferanten nicht bekannt, empfiehlt es sich, bei denjenigen Lieferanten anzusetzen, auf die der Großteil der Unternehmensausgaben fällt. Das Unternehmen kann diese Zulieferer zur Zielerfüllung heranziehen.19
Wer sich auf Grundlage wissenschaftlicher Benchmarks kurz- und langfristige Ziele setzt, verfügt über einen guten Fahrplan, um bedeutsame Fortschritte zu erzielen. Ein weiterer Bestandteil auf dem Weg in die Zukunft ist die Steuerung von Unternehmen: Wie lässt sich die erfolgreiche Erreichung dieser Ziele umsetzen? Die Einführung effektiver „Climate Governance“-Mechanismen spielt eine wichtige Rolle, will man die Ziele zur Emissionsverringerung über die gesamte Organisation hinweg integrieren. Dazu gehört auch, dass Strukturen zur Einbindung von Dekarbonisierungszielen in die Geschäftsstrategie eingeführt werden, dass über eine interne CO2-Besteuerung Anreize zur Erreichung der Ziele gegeben werden und dass die Vergütung der Führungskräfte an die erzielte Nachhaltigkeitsleistung geknüpft wird.
Nachdem gewährleistet ist, dass die Dekarbonisierung gut in die interne Governance-Struktur eingebettet ist, stellt sich die folgende Frage: Wie lassen sich unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Ressourcen eines Unternehmens die wirkungsvollsten Maßnahmen und Technologien identifizieren, bewerten und umsetzen, damit sowohl schnelle als auch dauerhafte Erfolge verzeichnet werden? Erstens geht es darum, sogenannte Emissions-Hotspots zu analysieren. Zweitens müssen Maßnahmen und Technologien eingeführt werden und diese dann auf Basis definierter Kennzahlen (z. B. Dekarbonisierungsindex) bewertet werden. Damit ist sichergestellt, dass die effizientesten Maßnahmen zur Reduzierung und Vermeidung von Emissionen priorisiert werden. Darüber hinaus kann die Einführung kohlenstoffarmer Innovationen und nachhaltiger Beschaffungspraktiken die Umwelt erheblich entlasten und operative Verbesserungen erzielen.
Gutes tun und darüber reden – die „Change-Story“
Schließlich sind die Unternehmenskommunikation und ein klares Change Management, inklusive Befähigung und Qualifizierung der Mitarbeitenden, wesentliche Voraussetzungen, um die sich bietenden Chancen bestmöglich zu nutzen. Wer mit der Frage nach dem Warum der Dekarbonisierung beginnt, verleiht den Bemühungen nicht nur einen Sinn, sondern schafft Vertrauen in den Beziehungen zu internen und externen Stakeholdern. Eine gut verfasste „Change-Story“, die den Fortschritt und Meilensteine ebenso transparent vermittelt wie die Herausforderungen auf dem Weg, kann Engagement fördern und Verhaltensänderungen bewirken. Im Unternehmen selbst sorgt diese Geschichte, bei paralleler Befähigung und Qualifizierung der Mitarbeitenden, dafür, dass die wichtigsten Stakeholder und Teammitglieder des Unternehmens an Bord sind. Nach außen muss die Marke des Unternehmens so präsentiert werden, dass umweltbewusste Verbraucher, Investoren und Partner angezogen und so die Reputation und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gestärkt werden.
Auch wenn es zutrifft, dass die Dekarbonisierung mit erheblichen Anstrengungen und Herausforderungen verbunden ist: Wenn sich Unternehmen nur auf diese Aspekte konzentrieren, laufen sie Gefahr, dass sie ihren Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen nicht nachkommen. Es besteht so auch das Risiko, dass große Geschäftschancen auf dem Weg zur Dekarbonisierung liegen bleiben. Um die Erderwärmung zu begrenzen, brauchen wir Unternehmen, die mutig sind, sich realisierbare Ziele setzen und sofort handeln. Zugleich dürfen diese Maßnahmen nicht zu Lasten des Geschäftsergebnisses gehen. Ein ganzheitlicher Dekarbonisierungsansatz verringert nicht nur die Umweltauswirkungen des Unternehmens, sondern führt auch zu einem realen Wettbewerbsvorteil.