Wenn Daten Leben retten

Dr. Bryn Roberts erklärt im Interview, wie Roche mit Daten und KI das Gesundheitswesen neu denkt

Bryn Roberts from Roche talking with Porsche Consulting in an Interview
04.11.2025 | Artikel

Dr. Bryn Roberts ist in seiner Rolle als Global Head of Data, Analytics & Research beim Gesundheitsunternehmen Roche weltweit dafür verantwortlich, gemeinsam mit seinen Teams digitale Gesundheitslösungen unter Einsatz von Daten und Künstlicher Intelligenz (KI) zu entwickeln. Seit rund 20 Jahren ist der promovierte Pharmakologe in verschiedenen Führungspositionen für den Roche-Konzern tätig. Im Interview mit Porsche Consulting teilt er sein Wissen darüber, wie Daten und KI globale Gesundheitssysteme transformieren, das Wohl von Patientinnen und Patienten nachhaltig verbessern und dazu beitragen, Krankheiten frühzeitiger zu erkennen und zu verhindern.

 

Herr Dr. Roberts, was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, mit denen die globalen Gesundheitssysteme derzeit konfrontiert sind?

Eine der größten Herausforderungen heutzutage ist, dass die Bevölkerung immer stärker altert. Das führt dazu, dass Krankheiten in Bereichen wie Neurologie und Onkologie, aber auch Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen, immer weiter zunehmen. Das übt einen enormen Druck auf die Gesundheitssysteme aus – und zwar länderübergreifend. Grund dafür sind die steigenden Kosten, die damit einhergehen. Aber auch der Fachkräftemangel belastet die Gesundheitssysteme zunehmend.

 

Die wachsende Verfügbarkeit von Daten eröffnet neue Möglichkeiten, das Gesundheitswesen weltweit zu verändern. In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial?

Der gezielte Einsatz von Daten und Predictive Analytics kann bei der Bewertung individueller Gesundheitsrisiken, der Früherkennung von Krankheiten und therapeutischen Interventionen oder sogar bei der Krankheitsprävention helfen. Das kann dazu beitragen, die hohe Belastung durch Behandlungen in späten Krankheitsstadien – einschließlich operativer Eingriffe – und die Behandlung chronischer Erkrankungen zu verringern. Eine weitere Chance liegt im Remote-Patientenmanagement. Also darin, Krankheiten nicht mehr nur in traditionellen Einrichtungen wie Krankenhäusern zu behandeln, sondern zu Hause – mithilfe digitaler Tools, kombiniert mit neuen Medikamenten und diagnostischen Verfahren.

 

Künstliche Intelligenz und große Datenmengen – wie greifen diese beiden Themen ineinander?

Alles beginnt mit den Daten. Ohne vollständige, hochwertige und relevante Daten sind die Möglichkeiten, KI zu nutzen, stark begrenzt. Wenn jedoch aussagekräftige und qualitativ hochwertige Daten in großem Umfang vorliegen, lassen sich Machine-Learning-Verfahren einsetzen, KI-Modelle entwickeln und mithilfe von KI enorme Datenmengen analysieren – um daraus die benötigten Erkenntnisse und Ergebnisse zu gewinnen. So können mit KI zum Beispiel komplexe Patientengeschichten zusammengefasst oder verborgene Muster in den Daten erkannt werden, die selbst ein erfahrener Arzt nicht sehen würde. Erfahrene Fachkräfte im Gesundheitswesen werden KI nutzen, um ihre Arbeitsabläufe und Produktivität zu verbessern, während weniger erfahrenes Personal oder Einrichtungen in Ländern mit schwächerer Gesundheitsversorgung besonders von den erweiterten Möglichkeiten profitieren.

 

Welche konkreten Innovationen und Fortschritte konnten bei Roche durch den erfolgreichen Einsatz von Daten und KI erzielt werden?

Unser Ziel bei Roche ist es, das Gesundheitswesen durch den Einsatz von Daten und KI effizienter zu machen und die Behandlungsergebnisse für Patientinnen und Patienten zu verbessern. Ein konkretes Beispiel dafür ist unser sogenanntes „Patient Summarization Tool“, das interdisziplinäre Tumorboards unterstützt. Es fasst die komplexe Krankengeschichte eines Patienten zu einer kompakten, strukturierten Übersicht zusammen – in weniger als der Hälfte der bisherigen Zeit. So können Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte ihre wertvolle Zeit stärker der direkten Patientenversorgung widmen, statt lange Berichte zu erstellen.

Ein weiteres Beispiel ist ein KI-basiertes Tool, das das Risiko für Darmkrebs anhand von routinemäßig erhobenen Gesundheitsdaten vorhersagt. Indem wir gefährdete Patientinnen und Patienten in der Bevölkerung identifizieren, können wir die Effektivität von Screening-Programmen steigern und frühzeitig weniger invasive Behandlungen ermöglichen. Das führt zu besseren Behandlungsergebnissen und senkt die Gesamtkosten. Genau das macht diese Arbeit so erfüllend: Teams zu leiten, die Lösungen entwickeln, die die Krankheitslast für Einzelne und das Gesundheitssystem verringern – und auf diese Weise dafür sorgen, dass Menschen gesünder und glücklicher leben können. 

 

Wie ist es Roche gelungen, den Wandel hin zu einem digitalen Geschäftsmodell zu meistern – was waren die Erfolgsfaktoren? Und was können andere Unternehmen daraus lernen?

Die digitale Transformation bei Roche wird von unternehmensweiten Daten- und KI-Strategien vorangetrieben. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter wird ermutigt, KI in den Arbeitsalltag zu integrieren. Wir nennen das „Everyday AI“. Aber die wirklich bahnbrechenden Veränderungen finden in unseren digitalen Produkten statt. Und in zentralen, datengetriebenen Prozessen, die durch KI unterstützt und automatisiert werden – zum Beispiel in der Forschung und Entwicklung. Viele unserer digitalen Gesundheitsprodukte basieren stark auf Machine Learning. Ohne KI könnten wir solche Innovationen gar nicht auf den Markt bringen. Der Erfolg im digitalen Gesundheitswesen beginnt mit einer „Data-First“-Mentalität und -Kultur. Sie bildet die Grundlage für echte Innovation. Viele Unternehmen gehen das Thema mit einer „Software-First“-Perspektive an und konzentrieren sich vor allem auf die Technik. Im Gesundheitswesen aber hängt die Qualität der Ergebnisse – und damit auch der KI – unmittelbar von der Qualität der Daten ab. Wenn diese Basis stimmt, wird KI zum Motor, der Daten in Erkenntnisse, bessere Entscheidungen, höhere Effizienz und letztlich in eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten verwandelt.

Mehr zum Thema auf unserer Seite

Einblicke

News & Trends

Gehirn-Computer-Chips erobern die Medizin

Auf dem Weg von der Science-Fiction zur Realität

Swiss FoodTech Ecosystem Report 2025

Schweizer Innovationskraft, Technologie und Kooperation als Erfolgsfaktoren einer zukunftsfähigen globalen Lebensmittelindustrie

Consumer Health für die Generation Z

Rezeptfreie Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel als neue Wachstumstreiber

Filter

Branchen

Leistungen