Investitionstrends in Pharma und Medizintechnik

Strategisch investieren für nachhaltigen Erfolg
Roman Hipp | Joey Wilson | Andrea Marques Goma
Sep 2025 | Impuls | Deutsch | 11 Min.
Leitfragen
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Welche Investitionstrends und strategischen Weichenstellungen prägen aktuell die Pharmaindustrie?
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Wie verändert sich der Investitionsfokus im Bereich pharmazeutischer Innovationen und welche Bereiche stehen dabei im Mittelpunkt?
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Wie gelingt es Pharmaunternehmen, Innovation entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von F&E bis Operations – auszubalancieren?

Das Entwicklungsportfolio eines Pharmaunternehmens umfasst sämtliche Projekte, die sich in der Forschung befinden. Ein breit aufgestelltes Portfolio ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor – insbesondere angesichts der hohen Ausfallraten in der Forschung und Entwicklung (F&E). Mit einer alternden Bevölkerung, steigenden Zahlen chronischer Erkrankungen und veränderten Patientenbedürfnissen wächst der Druck, neue Therapien schneller auf den Markt zu bringen. Deshalb blicken große Pharmaunternehmen zunehmend über ihre eigenen Labore hinaus: Übernahmen (M&A) und Partnerschaften mit agilen Biotech-Firmen sind zu entscheidenden Wachstums- und Innovationsmotoren geworden.

Die größten Pharmaunternehmen der Welt verfügen 2025 über mehr als 1,5 Billionen US-Dollar an Liquidität – Kapital, das für strategische Deals bereitsteht.1 Gleichzeitig droht ihnen ein massiver Umsatzeinbruch: Bis 2030 könnten durch auslaufende Patente weltweit bis zu 250 Milliarden US-Dollar wegbrechen, allein 120 Milliarden bei den 15 führenden Konzernen.2 Diese Kombination aus enormer Finanzkraft und existenzieller Bedrohung verändert die Branche grundlegend. Doch Kapital allein reicht nicht: Künftige Gewinner werden diejenigen sein, die Deals so orchestrieren, dass sie in ihre bestehenden Entwicklungsportfolios passen, langfristige Visionen unterstützen, neuartige Innovationsprojekte korrekt bewerten und modernste Technologien nahtlos integrieren. Erfolg bemisst sich künftig weniger an der reinen Investitionssumme, sondern an strategischer Weitsicht und kluger Steuerung.

 

Globale Unsicherheiten prägen die Investitionslandschaft

Die Biopharmaindustrie wird stark von geopolitischen Spannungen und regulatorischen Veränderungen beeinflusst. Jüngste Diskussionen über neue Zölle – etwa durch eine „Section-232“-Untersuchung, die gezielt Abgaben auf Arzneimittel nach sich ziehen könnte – alarmieren Unternehmen mit globalen Lieferketten. Hinzu kommen Debatten über mögliche Preissenkungen durch ein „Most-Favored-Nation“-Modell, das erhebliche Unsicherheit über künftige Marktpotenziale erzeugt. Diese Unwägbarkeiten spiegeln sich auch im Wirtschaftsbericht „Beige Book“ der US-Notenbank wider, in dem allein im April 89-mal der Begriff „Unsicherheit“ auftauchte – ein Rekordwert.3 Die Folge: eine gedämpfte Deal-Dynamik und eine Verschiebung geografischer Schwerpunkte.

Die großen Pharmakonzerne setzen zudem nicht mehr ausschließlich auf Übernahmen im großen Stil. Stattdessen rücken gezieltere Transaktionen in den Vordergrund – sowohl in frühen als auch in fortgeschrittenen Entwicklungsphasen. Sie sollen neue Möglichkeiten eröffnen, Risiken streuen und langfristige Umsätze sichern. Ein Beispiel: Roches Vorauszahlung von 1,4 Milliarden US-Dollar an Zealand Pharma für die gemeinsame Entwicklung von Petrelintide, einem vielversprechenden Wirkstoff gegen Adipositas, der aktuell in Phase II getestet wird.4 Solche Deals verdeutlichen den neuen Standard: gezielte Investitionen in Plattform-Technologien mit validierten Daten – auch unter schwierigen Rahmenbedingungen.5

Den 15 größten Pharmaunternehmen droht bis 2030 ein Umsatzverlust von rund 120 Milliarden US-Dollar durch auslaufende Patente.

Den 15 größten Pharmaunternehmen droht bis 2030 ein Umsatzverlust von rund 120 Milliarden US-Dollar durch auslaufende Patente.

Den 15 größten Pharmaunternehmen droht bis 2030 ein Umsatzverlust von rund 120 Milliarden US-Dollar durch auslaufende Patente.
Den 15 größten Pharmaunternehmen droht bis 2030 ein Umsatzverlust von rund 120 Milliarden US-Dollar durch auslaufende Patente.

Aktueller Investitionsfokus: weniger, aber größere Transaktionen

Das Biopharma-Transaktionsgeschäft befindet sich in einer neuen Phase: Der Fokus verschiebt sich von reiner Masse hin zu selektiven, substanziellen Investitionen. Getrieben wird dies durch die Notwendigkeit, Portfolios aufzufüllen und gezielt Innovationen einzukaufen. In den letzten fünf Jahren haben strategische Allianzen (in Lizenzen und Partnerschaften) M&A sowohl im Volumen (64 Prozent) als auch im Gesamtwert (54 Prozent) übertroffen – obwohl Übernahmen von Führungskräften weiterhin als wichtigster Branchentreiber genannt werden.2

Der Trend: weg von vielen kleineren Deals hin zu weniger, aber größeren Transaktionen. Im zweiten Quartal 2025 wurden 130 Deals im Wert von insgesamt 33 Milliarden US-Dollar abgeschlossen – ein Plus von 15 Prozent beim Volumen, aber nur 3 Prozent mehr Deals als im Vorjahr.2 Zwar lag der Wert etwas unter dem Rekord des ersten Quartals (37 Mrd.), doch im Vergleich zum vierten Quartal 2024 (20 Mrd.) zeigt sich eine deutliche Erholung. Parallel dazu stiegen die Vorauszahlungen bei M&A im Mittel um das 3,5-Fache – ein klares Signal für die Rückkehr zu größeren Transaktionen.6 Deals über 50 Millionen US-Dollar stiegen im zweiten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorquartal um 29 Prozent.2 Strategische Allianzen, die sowohl Lizenzvereinbarungen als auch Partnerschaften umfassen, stellen weiterhin einen verlässlichen und starken Weg zur Erweiterung des Entwicklungsportfolios dar. Während die Anzahl dieser Allianzen in den letzten Jahren leicht schwankte und etwas zurückging (z. B. 269 Deals 2024 gegenüber 292 im Jahr 2021), ist ihr Gesamtwert deutlich gestiegen – von 119 Milliarden US-Dollar 2021 auf 171 Milliarden US-Dollar 2024.

Im zweiten Quartal 2025 blieb die Zahl der Transaktionen nahezu unverändert, der Gesamtwert stieg jedoch deutlich gegenüber dem Vorjahr.

Im zweiten Quartal 2025 blieb die Zahl der Transaktionen nahezu unverändert (+3 Prozent), der Gesamtwert stieg jedoch deutlich um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Im zweiten Quartal 2025 blieb die Zahl der Transaktionen nahezu unverändert, der Gesamtwert stieg jedoch deutlich gegenüber dem Vorjahr.
Im zweiten Quartal 2025 blieb die Zahl der Transaktionen nahezu unverändert (+3 Prozent), der Gesamtwert stieg jedoch deutlich um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Das aktuelle Motto im Transaktionsgeschäft scheint „Qualität vor Quantität“ zu sein und spiegelt die strategische Entscheidung wider, sich auf Entwicklungsprojekte zu konzentrieren, die ein höheres Potenzial, geringeres Risiko oder einen direkteren Einfluss auf die kurzfristige Umsatzgenerierung versprechen. Der überproportionale Anstieg des Transaktionswerts deutet darauf hin, dass Unternehmen bereit sind, einen Aufpreis für die richtigen Investitionsmöglichkeiten zu zahlen – im Einklang mit strategischen Prioritäten wie dem Wettbewerb in vielversprechenden Therapiebereichen, der Sicherung zukünftigen Wachstums und dem Ausgleich von Patentabläufen. Der Erwerb fortgeschrittener Investitionsmöglichkeiten zeigt außerdem, dass Unternehmen versuchen, Unsicherheiten und Risiken zu reduzieren und gleichzeitig die Markteinführungszeit zu beschleunigen.

 

Portfolios strategisch auf die Zukunft ausrichten

Effektive Investmentstrategien orientieren sich heute an mehreren Leitprinzipien: Umsatzrisiken steuern, Wachstum beschleunigen, wissenschaftliche Fortschritte nutzen und im zunehmend globalisierten Innovationswettlauf wettbewerbsfähig bleiben. Dies führt zu einer Neuausrichtung hin zu diversifizierten, zukunftsorientierten Portfolios, die eine Vielzahl von Faktoren und neue operative Paradigmen berücksichtigen.

Welche Investitionsvarianten stehen dabei im Fokus? Das zunehmende Transaktionsvolumen von Investitionsmöglichkeiten in frühen Entwicklungsphasen, das von 47 Prozent im Jahr 2021 auf 55,9 Prozent im Jahr 2024 gestiegen ist, zeigt einen anhaltenden Appetit auf grundlegende Innovationen.2 Gleichzeitig sorgt die strategische Suche nach langfristig erfolgreichen Investitionsmöglichkeiten dafür, dass die Nachfrage nach Projekten in späten Entwicklungsphasen wieder zunimmt. Dies ist kein Widerspruch: Es verdeutlicht vielmehr den dringenden Bedarf an Produkten, die kurzfristig Umsatzlücken schließen und schnelle Markterfolge liefern können. Dazwischen liegen Investitionsmöglichkeiten in Phase II der klinischen Entwicklung, die ein ausgewogenes Verhältnis von Risikominimierung, Marktreife und Umsatzpotenzial aufweisen. Phase-II-Projekte befinden sich daher im optimalen Bereich des Transaktionswertes und machen regelmäßig mehr als 20 Prozent des jährlichen Gesamtvolumens aus.2 Bei den Therapieformen haben Biologika klassische niedermolekulare Wirkstoffe deutlich überholt, mit fast fünffach höheren Vorauszahlungen. Besonders gefragt sind Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) und bispezifische Antikörpertherapien. Dagegen ist bei Zell- und Gentherapien ein Rückgang zu beobachten, da Investoren und Partner verstärkt auf etabliertere Therapieformen setzen – ein Ausdruck eines vorsichtigen Vorgehens gegenüber diesen weniger ausgereiften und riskanteren Therapieformen.

Um den drohenden Umsatzlücken durch auslaufende Patente entgegenzuwirken, intensivieren Pharmaunternehmen ihre Aktivitäten in wachstumsstarken Therapiegebieten mit hohem ungedecktem medizinischem Bedarf – etwa in der Immunologie und Entzündungsforschung, Kardiometabolismus, Onkologie sowie Neurowissenschaften. Dabei setzen sie gezielt auf ihre bestehenden Kernkompetenzen.2 Ein rein therapeutischer Fokus reicht jedoch nicht mehr aus. Zunehmend setzen Unternehmen auf neuartige Plattformen, die wissenschaftliche Innovation ermöglichen und gleichzeitig mehrere Entwicklungsmöglichkeiten aus einem einzigen Ansatz eröffnen. Dies gilt insbesondere für viele „Next-Generation“-Therapien, etwa antikörperbasierte Therapien, monoklonale Antikörper (mAbs) oder ADCs, zelluläre Therapien wie CAR-T-Zelltherapie und nukleinsäurebasierte Therapien, zum Beispiel mRNA. Plattformen integrieren häufig Schlüsseltechnologien für Anwendungen wie Gen-Editing (z. B. CRISPR-Cas9 oder TALENs) und Wirkstoffabgabe (z. B. lipid- oder polymerbasierte Nanopartikel). Entlang des gesamten Entwicklungsprozesses gewinnen verschiedene Trends an Bedeutung – darunter Künstliche Intelligenz, in-vivo-basierte Prädiktivmodelle wie „Organs-on-a-Chip“ sowie diagnostische Verfahren wie die „Next-Generation“-Sequenzierung. Diese Technologien tragen dazu bei, Risiken frühzeitig zu reduzieren und ermöglichen es Unternehmen, bereits in frühen Phasen der Entwicklung einer Therapie mit größerer Sicherheit zu investieren.

Zudem richten Unternehmen den Blick auf neue Innovationszentren wie China, das eine schnelle und tiefgreifende Transformation durchlaufen hat.7 Der Anteil globaler Großkonzerne an Transaktionen und Vorauszahlungen mit in China ansässigen Biopharmaunternehmen ist stark gestiegen.8 Gleichzeitig übertrifft die Lizenzvergabe inzwischen den Lizenzerwerb sowohl in Anzahl als auch Volumen.9 Insgesamt hat die Fokussierung auf Therapiegebiete, Plattformtechnologien, Therapieformen und geografische Schwerpunkte stark zugenommen, was parallel die operative Komplexität deutlich erhöht.

 

Das unterschätzte Risiko: zu viel Innovation 

Innovation entsteht häufig in spezialisierten Biotech-Unternehmen. Große Pharmaunternehmen mit umfangreichen Entwicklungs- und Vermarktungskapazitäten arbeiten mit diesen agilen Biotech-Firmen über Lizenzvereinbarungen zusammen, um bahnbrechende Wirkstoffe zu entwickeln. So sind beispielsweise Bristol-Myers Squibb, Novartis und Gilead Sciences führend im Bereich CAR-T-Zelltherapie, während Pfizer, Roche und AstraZeneca an der Spitze der Entwicklung von ADCs stehen und ihre Entwicklungsportfolios kontinuierlich über strategische Partnerschaften und Übernahmen erweitern.

Kleinere Biotech-Firmen sind die entscheidenden Motoren für Innovationen: Sie entwickeln Durchbrüche, die häufig von größeren Unternehmen übernommen oder lizenziert werden. Ihre Flexibilität und Bereitschaft, neue Felder zu erschließen und kalkulierte Risiken einzugehen, sind entscheidend, um die Grenzen der Wissenschaft zu verschieben. Ein oft übersehener Risikofaktor in innovationsgetriebenen Investitionsstrategien besteht jedoch in der möglichen Diskrepanz zwischen hochentwickelter F&E und den praktischen Realitäten von Produktion und Therapieversorgung. Während Unternehmen darin glänzen, Entwicklungsprojekte zur Zulassung zu bringen, haben viele Schwierigkeiten bei effizienter Herstellung und Markteinführung. Dies betrifft vor allem viele innovative Behandlungsformen, die häufig durch ein geringes Volumen, hohe Preise und den Bedarf an spezialisierten Produktionskapazitäten gekennzeichnet sind. Gelingt es nicht, diese Lücke zu schließen, können massive, ungeplante Investitionen in Produktionsinfrastruktur oder komplexe Auslagerungsstrukturen notwendig werden – was letztlich den Patientenzugang und den kommerziellen Erfolg behindert.

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, neue Technologien und Kompetenzen reibungslos in die betrieblichen Abläufe zu integrieren.

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, neue Technologien und Kompetenzen reibungslos in die betrieblichen Abläufe zu integrieren.

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, neue Technologien und Kompetenzen reibungslos in die betrieblichen Abläufe zu integrieren.
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, neue Technologien und Kompetenzen reibungslos in die betrieblichen Abläufe zu integrieren.

Trotz globaler Unsicherheiten bleibt der Druck, Entwicklungsportfolios zu füllen und künftige Umsätze zu sichern, ein starker Antrieb für Transaktionen. Erfolg in der Biopharmaindustrie bemisst sich künftig nicht nur am Anhäufen von Entwicklungsprojekten, sondern daran, kluge Investitionsentscheidungen zu treffen, die exakt mit den langfristigen strategischen Zielen übereinstimmen. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der Marktdynamik, die präzise Bewertung neuer Investitionsmöglichkeiten und die nahtlose Integration neuer Technologien – von der Entdeckung über Zulassung, Kommerzialisierung und Produktion bis hin zur Patientenversorgung. Ohne diesen ganzheitlichen Ansatz laufen selbst bahnbrechende Innovationen Gefahr, vor der großflächigen Einführung zu scheitern und keinen messbaren Nutzen für die Patienten zu erzielen.

Kernaussagen
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Pharmaunternehmen fokussieren sich zunehmend auf weniger, dafür größere Transaktionen, während strategische Allianzen (in Lizenzierungen und Partnerschaften) M&A sowohl in Anzahl als auch im Wert übertreffen.
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Besonders gefragt sind sowohl kurzfristig marktreife Produkte zur Schließung von Umsatzlücken als auch Investitionen in wachstumsstarke Therapiefelder.
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Für langfristigen Erfolg ist es entscheidend, dass mutige Investitionen in Innovationen nicht nur wissenschaftlich erfolgreich sind, sondern auch in der Produktion und Patientenversorgung realisiert werden.

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Roman Hipp, Senior Partner Pharma & Medizintechnik Porsche Consulting
Dr. Roman Hipp
Branchenleiter Pharma & Medizintechnik

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