Der Fokus auf Effizienz ist nicht nur zeitgemäß, sondern geradezu unerlässlich. Zahlreiche Unternehmen verfehlen ihre finanziellen Ziele, und wichtige strategische Initiativen stocken in der Umsetzung. Der sich verschärfende globale Wettbewerb und die anhaltenden geopolitischen Unwägbarkeiten machen das Umsatzwachstum weniger vorhersehbar. In diesem Umfeld ist Effizienz keine reine Option – sie ist absolut entscheidend für eine nachhaltige Rentabilität und strategische Agilität.
Trotz des technologischen Fortschritts ist das Effizienzniveau in sämtlichen Branchen in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Ein Blick auf die Wertschöpfung pro Mitarbeitendem – eine wichtige Effizienzkennzahl – verdeutlicht diesen Abwärtstrend. In Deutschland hat sich das Wachstum der Arbeitsproduktivität von über zwei Prozent pro Jahr in den 1990er-Jahren auf nur noch 0,6 Prozent in den letzten Jahren verlangsamt. In den USA und in Europa konzentrieren sich die Effizienzsteigerungen der Unternehmen nach wie vor auf die Automatisierung von Fabriken und die Verbesserung betrieblicher Abläufe, während die Produktivität im indirekten Bereich, also in den Bürojobs, stagniert oder sogar zurückgegangen ist.
Das Problem besteht nicht darin, dass die Unternehmen sich nicht um Effizienz bemüht hätten. Vielmehr waren ihre Bemühungen ungleich verteilt. Während in den Bereichen Produktion und Logistik messbare Verbesserungen erzielt wurden, arbeiten zentrale Unternehmensfunktionen, Dienstleistungsbereiche und Bereiche mit wissensintensiven Tätigkeiten, in denen ein zunehmender Anteil des wirtschaftlichen Wertes geschaffen wird, nach wie vor suboptimal. Warum tun sich Unternehmen derart schwer, Effizienzsteigerungen auf breiter Basis zu erzielen? Die Antwort liegt in fünf Hindernissen, die in allen Branchen tief verwurzelt sind.
Bürokratie: Komplexität drosselt Geschwindigkeit
Wenn Unternehmen wachsen, führen sie Entscheidungsebenen, redundante Genehmigungsketten und fragmentierte Governance-Strukturen ein, die allesamt die Ausführung verlangsamen. Führungskräfte glauben oft, dass diese Mechanismen ihnen Kontrolle gewährleisten – dabei untergraben sie häufig Geschwindigkeit, Klarheit und Verantwortlichkeit. Ein multinationales Finanzdienstleistungsunternehmen benötigte beispielsweise zwölf verschiedene Bestätigungen, um einen Onboarding-Prozess für neue Kunden zu genehmigen, was zu übermäßigen Verzögerungen und einer sinkenden Gewinnrate führte.
Nicht durchgesetzte Prozesse: Plan versus Realität
Viele Unternehmen verfügen auf dem Papier über gut strukturierte Prozesse. In der Realität jedoch werden diese von den Mitarbeitenden häufig umgangen, angepasst oder missachtet. Anstatt optimierten Arbeitsabläufen zu folgen, verlassen sich die Teams auf Behelfslösungen, isolierte Entscheidungsfindung und veraltete Methoden, was zu operativen Reibungsverlusten führt. So investierte ein europäisches Versicherungsunternehmen in ein automatisiertes Schadensbearbeitungssystem, um die Bearbeitungszeit zu verkürzen und den Kundenservice zu verbessern. Aufgrund der uneinheitlichen Nutzung des Systems und des Rückgriffs auf veraltete manuelle Arbeitsabläufe erfolgte die Bearbeitung jedoch bei fast der Hälfte der Schadensfälle weiterhin manuell. Die erwarteten Effizienzgewinne blieben aus.
Digitale Überlastung: mehr Tools, weniger Produktivität
Paradoxerweise hat die rasche Verbreitung digitaler Tools die Arbeit nicht einfacher, sondern komplexer gemacht. Mitarbeitende verbringen immer mehr Zeit damit, zwischen E-Mail, Chats, virtuellen Gruppen, Customer Relationship Management-Tools und Wissensportalen zu wechseln. Das Auffinden der richtigen Informationen oder die Abstimmung mit Kollegen gestaltet sich somit langwieriger. Ein europäisches Versicherungsunternehmen setzte beispielsweise fünf überlappende Kollaborationsplattformen ein. Anstatt die Effizienz zu steigern, führte dies zu einem ständigen Wechsel der Umgebung, falsch abgestimmten Arbeitsabläufen und einem 30-prozentigen Anstieg des Zeitaufwands für die interne Koordination.
Endlose Sitzungen: Zeit als knappste Ressource
Besprechungen sind zu einem der am meisten unterschätzten Effizienzkiller in modernen Unternehmen geworden. Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende verbringen übermäßig viel Zeit mit Diskussionen, Status-Updates und Abstimmungsgesprächen, oftmals mit unklaren Zielen, redundanten Teilnehmern oder ohne greifbare Ergebnisse. Diese Besprechungskultur zehrt nicht nur an der Produktivität, sondern verkürzt auch die Zeit, in der man sich auf wichtige Aufgaben konzentrieren kann. Ein weltweit tätiges Konsumgüterunternehmen stellte fest, dass Führungskräfte der mittleren Ebene mehr als 60 Prozent ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen, von denen viele weder eine klare Agenda noch Entscheidungsbefugnisse hatten. Durch eine straffere Strukturierung der Meetings, die Reduzierung der Anzahl von Teilnehmenden und die Durchsetzung eines strikt ergebnisorientierten Ansatzes konnten 20 Prozent der Arbeitszeit eingespart werden, wodurch sich die Geschwindigkeit bei der Strategie- und Projektumsetzung erheblich verbesserte.
Fehlende Eigenverantwortung: verstecktes Hindernis für den Wandel
Das vielleicht grundlegendste Hindernis ist ein Mangel an individueller Verantwortlichkeit. Viele Mitarbeitende fühlen sich nicht in der Lage, Veränderungen voranzutreiben, da sie glauben, dass Ineffizienzen systembedingt sind und sich ihrem Einfluss entziehen. Anstatt Engpässe proaktiv anzugehen, arbeiten die Teams in der Regel um sie herum, was zu zusätzlichen Reibungsverlusten und vergeudeten Anstrengungen führt. In einem multinationalen Technologieunternehmen beispielsweise wiesen die Teams routinemäßig auf Ineffizienzen in den abteilungsübergreifenden Arbeitsabläufen hin. Doch ohne klare Verantwortlichkeiten oder Unterstützung durch die Geschäftsführung wurden diese Erkenntnisse nie in die Tat umgesetzt. Als die Unternehmensleitung die Verantwortlichkeiten neu strukturierte und bestimmte Personen mit der Durchführung von Effizienzinitiativen beauftragte, nahmen die Umsetzungsgeschwindigkeit und das Engagement signifikant zu.