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Studie: Change Management

November 2020 | Mensch und Kultur

Eine Befragung von Führungskräften der 100 größten deutschen Unternehmen ergab großen Aufholbedarf bei der Steuerung von Transformationsvorhaben: Während der Großteil (65 Prozent) der hiesigen Unternehmen bis 2022 tiefgreifenden Veränderungen entgegensieht, sind aktuell nur rund 20 Prozent der Transformationen erfolgreich. Ein Blick auf gescheiterte Projekte zeigt die Hauptgründe für diese geringe Erfolgsquote und damit die größten „Baustellen“ für kommende Vorhaben: Unzureichende Kommunikation sowie mangelnde Führung waren mit 77 respektive 73 Prozent die am häufigsten genannten Gründe für das Verfehlen der Transformationsziele. Der Porsche Consulting Change Management Kompass 2020 bietet Führungskräften Orientierung, informiert über aktuelle Trends, zeigt mögliche Hindernisse auf und gibt konkrete Handlungsempfehlungen, wie diese herausfordernde Aufgabe gelingen kann.


Change Management Kompass 2020

Starke Führung als wichtigster Faktor für erfolgreiche Transformation


INSIGHTS

01 | Nur 20 Prozent der strategischen Transformationen in deutschen Unternehmen erreichen das gewünschte Ergebnis.

02 | Vielfach gelingt es nicht, die Mitarbeiter für die Strategieumsetzung zu motivieren und zu befähigen. 73 Prozent der Chefs haben erkannt, dass erfolgreiche Transformation stärkere Führung erfordert.

03 | Die Ergebnisse der Befragung von Führungskräften* der 100 größten Unternehmen in Deutschland zeigen auf, wo akuter Handlungsbedarf besteht.

* Die Befragung spiegelt die Sicht von 90 Führungskräften der nach Umsatz größten deutschen Unternehmen1 wider. Diese gehören zu den wichtigsten Branchen der deutschen Wirtschaft: Automobil und Zulieferer, Chemie und Pharma, Energie und Umwelt, Konsumgüter und Handel, Maschinenund Anlagenbau, Öffentlicher Sektor und Infrastruktur, Technologie und Telekommunikation sowie Transport, Verkehr und Logistik. 46 Prozent der vertretenen Unternehmen haben mehr als 80.000 Mitarbeiter und zählen damit zu den größten Arbeitgebern zwischen Sylt und Oberstdorf.

1 Statista (2019)

01 | Zeit des Wandels

Schwächelnde Weltkonjunktur durch die Corona-Krise, steigender Effizienzdruck, ambitionierte Innovationsstrategien sowie Megatrends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit – der Druck zur strategischen Transformation ist in den Unternehmen hierzulande aktuell sehr hoch.

Der Porsche Consulting Change Management Kompass 2020 zeigt, dass sich die deutschen Top-100-Unternehmen2 in den kommenden zwei Jahren grundlegend wandeln wollen. Und dies in vielen Bereichen gleichzeitig. Klar ist aber auch: Die ins Auge gefassten Transformationen werden nicht automatisch gelingen. Entscheidend für den Erfolg ist es, dass alle wesentlichen Stakeholder mit an Bord sind und an einem Strang ziehen. Starkes Change Management ist nötig.

Das ist keine gänzlich neue Erkenntnis. Umso überraschender, dass auch nach Jahrzehnten der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit dem Thema noch immer rund 80 Prozent der Transformationen ihr Ziel verfehlen. Woran liegt das? Die vorliegende Befragung von Porsche Consulting verdeutlicht, dass die Führungskräfte in den Unternehmen eine wesentliche Mitverantwortung tragen. Die Führung muss gestärkt werden. Für diese Herausforderung gibt der Porsche Consulting Change Management Kompass 2020 konkrete Handlungsempfehlungen.

Die Befragung spiegelt die Sicht von 90 Führungskräften der gemessen am Umsatz größten deutschen Unternehmen3 wider. Diese gehören zu den wichtigsten Branchen der deutschen Wirtschaft: Automobil und Zulieferer, Chemie und Pharma, Energie und Umwelt, Konsumgüter und Handel, Maschinen- und Anlagenbau, Öffentlicher Sektor und Infrastruktur, Technologie und Telekommunikation sowie Transport, Verkehr und Logistik. 46 Prozent der vertretenen Unternehmen haben mehr als 80.000 Mitarbeiter und zählen damit zu den größten Arbeitgebern zwischen Sylt und Oberstdorf. Die Einschätzungen der befragten Führungskräfte werden in der Studie durch praktische Erfahrungen der Porsche Consulting Change Management Experten ergänzt.

Ziel des Porsche Consulting Change Management Kompass 2020 ist es, aktuelle Trends der geplanten strategischen Transformationen in den Top-100-Unternehmen Deutschlands aufzuzeigen, bestehende Hindernisse für die Umsetzung des Wandels transparent zu machen und den verantwortlichen Führungskräften konkrete Empfehlungen für eine erfolgreiche strategische Transformation ihrer Unternehmen an die Hand zu geben.

02 | Strategische Transformation der deutschen Großunternehmen

Welche wirtschaftlichen Schäden die Corona-Krise verursacht, ist noch nicht endgültig abzuschätzen. Aber schon jetzt dreht sich im Top-Management deutscher Unternehmen alles um die Frage: „Was können und müssen wir tun, um unsere aktuelle Marktposition zu verteidigen und Chancen für Wachstum zu nutzen?“ Konsens herrscht, dass Stillstand gleichbedeutend mit dem allmählichen Verlust der eigenen Wettbewerbsstärke ist. Unternehmenslenker haben daher keine andere Wahl, als ihr Unternehmen durch strategische Transformationen für die veränderten Marktbedingungen auszurichten, oder besser noch, diese selbst neu zu gestalten. Der Wille und die Strategiepapiere dazu sind vorhanden: 64 Prozent der im Rahmen dieser Studie befragten Führungskräfte der 100 größten deutschen Unternehmen erwarten, dass sich ihr Unternehmen in den nächsten zwei Jahren tiefgreifend verändern wird. Die Transformation scheint aus ihrer Sicht ein notwendiger Kraftakt, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Der Veränderungsdruck nimmt weiter zu
Wie hoch der Druck zur Transformation auf die Unternehmen ist, lässt sich aus der Vielzahl der für die nächsten Jahre geplanten Veränderungen ableiten. Mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte schreiben neun der 14 aktuell in den Unternehmen hierzulande wichtigsten Trends (vgl. Abb. 1) für die anstehende Transformation ihres Unternehmens einen hohen oder sehr hohen Einfluss zu – und das allein in den kommenden 24 Monaten. Die strategische Transformation des gesamten Unternehmens wird nicht auf Jahre geplant, sondern muss in Quartalen gelingen.

Die angestrebten Veränderungen umfassen alle Geschäftsbereiche
Die prognostizierten Veränderungen erfolgen in vielen Bereichen der befragten Unternehmen gleichzeitig (s. Abb. 1). Neben unterschiedlichen Digitalisierungsinitiativen (86%), wird vor allem die Produktpalette durch die Einführung neuer, ergänzender Dienstleistungen (70%) diversifiziert. Parallel werden Reorganisationen (76%) und die Optimierung von Prozessen (72%) die Aufbau- und Ablauforganisation der Unternehmen wesentlich verändern. Gesellschaftliche Veränderungen haben nach Einschätzung der befragten Führungskräfte ebenfalls einen hohen Einfluss auf unternehmerische Richtungsentscheidungen. Die höchste Bedeutung wird dem Streben nach mehr Nachhaltigkeit (64%) beigemessen. Außerdem wollen 62 Prozent der Unternehmen in Deutschland New Work umsetzen um die Motivation und Produktivität durch höhere Eigenverantwortung zu steigern.

Abb 1. Aktuelle Trends als Auslöser für strategische Transformationen

Haupttreiber Nummer eins: die Digitalisierung
Die Digitalisierung, von 86 Prozent der befragten Führungskräfte als wesentlicher Auslöser für die anstehenden Veränderungen benannt, ist der Haupttreiber der strategischen Transformationen. Durch die Sammlung und intelligente Nutzung von Daten sollen Entscheidungen künftig besser und schneller getroffen werden können. Dazu planen Unternehmen ihre Maschinen und Informationssysteme zu vernetzen und riesige Mengen an Daten in Clouds zu speichern. Diese sollen aufbereitet, analysiert und zur automatisierten Steuerung der Abläufe im Unternehmen genutzt werden. Das zukünftige Wirkungsfeld der Digitalisierung im Betrieb scheinen die Führungskräfte nahezu unbegrenzt zu sehen. Die Nutzung gesammelter Daten zur Steigerung der Effizienz logistischer Prozesse, Steuerung der Produktion oder Individualisierung der Kundenansprache ist insbesondere für die großen deutschen Unternehmen keine wirkliche Neuerung mehr. Der digitale Wandel geht allerdings deutlich weiter und dringt damit auch in Bereiche vor, die bisher noch nicht im Fokus standen.

Die Digitalisierung verändert nicht nur Unternehmen, sondern gesamte Ökosysteme. Insbesondere Technologieunternehmen brechen immer häufiger innerhalb kürzester Zeit über Jahrzehnte gewachsene Strukturen auf und verändern die Ansprüche und das Verhalten der Kunden. Bekannte Beispiele für die Disruption ganzer Branchen sind Airbnb, Spotify und Uber. Die Porsche Consulting Befragung verdeutlicht wie hoch diesbezüglich auch die Ambitionen der Unternehmen hierzulande sind: 70 Prozent der befragten Führungskräfte gaben an, dass die Entwicklung und Einführung neuer, ergänzender Dienstleistungen ihr Unternehmen in den nächsten 24 Monaten wesentlich verändern wird. Dazu gehören Serviceleistungen rund um das bereits bestehende Leistungsangebot genauso, wie die Bereitstellung von Applikationen, die dem Endkunden eine komfortable Nutzung und Steuerung von Produkten ermöglichen. Notwendige Voraussetzung ist ein hohes Verständnis der Kundenanforderungen, die mutige Nachverfolgung innovativer Ideen und die kurzzyklische Erprobung der Wirksamkeit.

Neue Strukturen fördern neue Arbeitsweisen
Reorganisationen sind nach der vorliegenden Studie der zweite Haupttreiber für die anstehenden strategischen Transformationen. 76 Prozent der befragten Führungskräfte weisen ihnen eine hohe bis sehr hohe Bedeutung als Ursache für die in den nächsten zwei Jahren geplanten Veränderungen ihres Unternehmens zu. Ziel ist oftmals die Schaffung flacherer Hierarchien für schnellere Entscheidungen. So soll die Flexibilität der Betriebe erhöht werden, um auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren. Neue Trends rasch zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen darauf zu reagieren, kann in einem schnelllebigen Wirtschaftssystem erfolgs- und existenzsichernd sein.

Branchenspezifischer Einfluss gesellschaftlicher Trends
Die beschriebenen Bestrebungen zur strategischen Transformation deutscher Unternehmen sind kein branchenspezifisches Phänomen. Vielmehr wird von den befragten Führungskräften der meisten vertretenen Branchen ein tendenziell hoher Grad an Veränderungen prognostiziert (s. Abb. 2). Die höchste Transformations-Dynamik prognostizieren die Führungskräfte im Bereich Technologie und Telekommunikation. 85 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Branchenvertreter erwarten eine starke Veränderung, die vor allem von der Digitalisierung (92%) und dem Aufbau neuer Organisationsstrukturen (92%) gekennzeichnet sein wird. Eine Prognose, die auch mit aktuellen Marktbeobachtungen übereinstimmt. Insbesondere im Technologiebereich ist der Innovationsdruck durch immer neue Wettbewerber mit vergleichbaren Produkten riesig. Das steigert den Druck zur Veränderung.

Anders sieht es in der Branche Maschinen- und Anlagenbau aus. Gemäß der Einschätzung der Studienteilnehmer ist die Transformations-Dynamik im Vergleich zu anderen Branchen deutlich moderater. Nur 40 Prozent erwarten einen hohen Veränderungsgrad ihres Unternehmens, ein im Branchenvergleich geringer Wert. Gleichzeitig sind die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Maschinen- und Anlagenbau am größten.

Abb 2. Branchenspezifische Ausprägung der Trends für strategische Transformationen

Auch in der Automobil- und Zulieferindustrie ist die Digitalisierung der Haupttreiber für die anstehenden strategischen Transformationen. Diese werden nach Ansicht von 72 Prozent der Branchenvertreter in der vorliegenden Studie einen hohen Grad an Veränderung mit sich bringen. Ausdruck ist beispielsweise die zunehmende Bedeutung von Softwarefunktionen im Auto. Hinzu kommt ein gesellschaftlicher Trend: Genau wie in der Branche Transport, Verkehr und Logistik nimmt Nachhaltigkeit eine überdurchschnittlich bedeutende Stellung ein (69%). Eine Entwicklung, die sich durch das zunehmende gesellschaftliche Bewusstsein für Klimaschutz noch verstärken wird. Neben Preis, Sicherheit und Komfort werden künftig stärker auch ressourcenschonende Produktion und ressourcenschonender Betrieb eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung spielen.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft zeigen sich auch in anderen Branchen. So prognostizieren 71 Prozent der befragten Führungskräfte von Unternehmen aus den Bereichen Energie und Umwelt einen vergleichsweise hohen Grad an Veränderung. Die Energiewende macht es für die Unternehmen unumgänglich, Prozesse und Strukturen zu verändern. Aber auch technologische Trends sind von großer Bedeutung. Der Branchenvergleich zeigt, dass sich die deutsche Wirtschaft in Summe in den kommenden 24 Monaten wesentlich verändern wird, wobei die Schwerpunkte der Transformationen variieren.

Zu viel Veränderung birgt das Risiko von Veränderungsmüdigkeit und -frustration
Ob die angestrebten strategischen Transformationen der deutschen Unternehmen gelingen, entscheidet sich vor allem an ihrer kleinsten Einheit: Dem Mitarbeiter. Die Vielzahl und die Intensität der geplanten Veränderungen werden die tägliche Arbeit von Millionen von Beschäftigten grundlegend verändern. Zuviel Veränderung auf einmal kann dazu führen, dass Mitarbeiter die notwendige Orientierung verlieren. In Folge können sich Frustration und ausgeprägter Widerstand manifestieren. Dies kann verhindert werden. Deshalb stehen vor allem Führungskräfte vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter auf diesem Weg zu begleiten.

Hindernisse für Strategieumsetzung und Veränderung
In den letzten 25 Jahren ist die strategische Relevanz von wirksamem Change Management in den Chefetagen angekommen. Dennoch erreichen nach Meinung der befragten Führungskräfte der 100 größten Unternehmen Deutschlands nur 20 Prozent der Veränderungsprojekte vollständig das gewünschte Ergebnis (vgl. Abb. 3). Damit hat sich die Durchschlagskraft von Transformationen in den vergangenen Jahren trotz aller Bemühungen nicht verbessert.4 In Anbetracht des vorherrschenden Transformationsdrucks, birgt dies für Unternehmenslenker enorme Risiken für eine erfolgreiche Strategieumsetzung und profitables Wachstum.

4 Vgl. Fachverband Change Management des BDU (2019), Harvard Business Manager (2013)

Abb 3. Misserfolgsquote von strategischen Transformationen im Branchenvergleich

Defizite in allen Dimensionen des Change Management
Aus der langjährigen Projekterfahrung von Porsche Consulting haben sich vier Schlüsselelemente für starkes Change Management herauskristallisiert: Kommunikation, Beteiligung, Führung und Qualifizierung. Die befragten Führungskräfte attestieren ihren Unternehmen in allen vier Dimensionen erhebliche Defizite (vgl. Abb. 4). Die mit 77 Prozent häufigste Ursache für das Scheitern der Veränderungen ist nach Einschätzung der Befragten die fehlende oder zu späte Kommunikation mit den Betroffenen. Nur wenn Gründe, Ziele und Rahmenbedingungen der Veränderungen von Beginn an transparent gemacht werden, lassen sich Widerstände gezielt abbauen. Für 73 Prozent der Befragten ist eine mangelnde Führung die wichtigste Ursache für das Verfehlen von Transformationszielen. Strategischer Wandel verlangt von Führungskräften große Sensibilität gegenüber den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter. Gleichzeitig müssen sie ungeachtet eigener Unsicherheiten als Vorbild voranschreiten. Eine anspruchsvolle Aufgabe, für die es einer gezielten Vorbereitung und bestmöglicher Unterstützung bedarf. Dass sich der Aufwand lohnt, zeigt der Vergleich zwischen erfolgreichen und gescheiterten Transformationen. Eine ausgeprägte Führung hat demnach deutlichen Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit des Veränderungsprojektes (s. Abb. 4).

Abb 4. Typische Defizite in Veränderungsprojekten

Hintergrund: Beteiligung
Die Erfahrung zeigt: Menschen akzeptieren Veränderungen am ehesten, wenn sie sie selbst mitgestaltet haben. Verhaltensökonomen sprechen diesbezüglich vom so genannten „IKEA-Effekt“. Auch aus diesem Grund ist die Beteiligung betroffener Mitarbeiter ein wesentlicher Einflussfaktor, wenn Veränderungsprojekte aufgesetzt werden. Beteiligungsformate sind Chance und Risiko zugleich: Eine zu frühe Beteiligung birgt die Gefahr, dass die angestrebte Veränderung schnell ins Stocken gerät, weil Ziele und Rahmenbedingungen noch nicht klar definiert sind und dadurch Unsicherheit entsteht. Geht es hingegen um die detaillierte Ausgestaltung und Umsetzung, sichert eine aktive Beteiligung der Betroffenen die Praktikabilität und Nachhaltigkeit der Veränderung. Damit einher geht auch das vierte Schlüsselelement: unzureichende Qualifikation. Nur wenn die Mitarbeiter die Fähigkeiten besitzen, das mit der strategischen Transformation gesetzte Ziel zu erreichen, kann diese auch gelingen.


Die Veränderungsbereitschaft der Unternehmen fällt hinter deren Zielen zurück
Woran liegt es, dass Führungskräfte in Transformationsprozessen noch immer wenig kommunizieren, führen, beteiligen und qualifizieren? Die Antworten der befragten Führungskräfte weisen darauf hin, dass Veränderungsprojekte oftmals zu sehr auf die leichte Schulter genommen werden. Verhaltensökonomen sprechen vom so genannten Overconfidence- Bias, wenn Menschen die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen systematisch überschätzen. Diese kognitive Verzerrung scheint ein Problem in den Unternehmen zu sein. Während sich die befragten Führungskräfte selbst als tendenziell sehr offen gegenüber den prognostizierten Veränderungen beschreiben, halten sie nur wenige ihrer Kollegen (27%) und Mitarbeiter (28%) für offen. Noch geringer bewerten sie deren Fähigkeit zur Veränderung (s. Abb. 5). Bemerkenswert ist dabei, dass sie vor allem bei der Unternehmensleitung Defizite in der Fähigkeit zur Steuerung erfolgreicher Transformationen sehen. Es besteht Handlungsbedarf im Bereich Change Management.

Abb 5. Veränderungsbereitschaft über die Hierarchieebenen

03 | Stärkung des Change Managements

In der vorliegenden Studie wurden die Befragten um ihre Einschätzung der Wirksamkeit und der Anwendung von 13 bewährten Erfolgsfaktoren gebeten. Diese leiten sich aus der langjährigen Beratungserfahrung von Porsche Consulting ab. Das Spektrum umfasst Change-Maßnahmen in den Dimensionen Kommunikation, Führung, Beteiligung und Qualifizierung. Obwohl die Führungskräfte zehn der genannten 13 Erfolgsfaktoren eine hohe Wirksamkeit attestierten, werden diese lediglich selten oder nur gelegentlich in den Veränderungsprojekten eingesetzt (s. Abb. 6). Da bisher gemäß der Einschätzung der Befragten keiner der Erfolgsfaktoren in den Organisationen konsequent eingesetzt wird, überrascht es wenig, dass so viele Transformationen scheitern.

Abb 6. Wirksamkeit und Anwendung der Erfolgsfaktoren

Veränderung braucht Führung
99 Prozent der Studienteilnehmer halten es für sehr wirksam, wenn Veränderungen durch die Führungsspitze vorgelebt werden (s. Abb. 6). Das ist demnach der Top-Erfolgsfaktor im Porsche Consulting Change Management Kompass 2020. Ebenfalls sehr wichtig ist es, ein einheitliches Zielbild und ehrliches Committment für die Transformation im gesamten Top-Management-Team zu schaffen. Die hohe Wirksamkeit dieses Erfolgsfaktors wird durch 96 Prozent der Studienteilnehmer bestätigt. Nur wenn sich die Entscheider einig sind, sie als geschlossene Führungsallianz hinter der Transformation stehen und einheitliche Botschaften in die Mannschaft senden, erreichen sie die notwendige Glaubwürdigkeit, um das Vertrauen der Organisation zu gewinnen. Was die Top-Entscheider versprechen und von ihren Mitarbeitern einfordern, müssen sie unbedingt selbst vorleben.

Dennoch findet vor allem die Wahrnehmung der Vorbildfunktion durch die Führungsspitze nur in 21 Prozent der befragten Unternehmen ausreichende Anwendung. Nach Beobachtungen aus der Beratungspraxis liegt dies vor allem daran, dass Manager mit einer Vielzahl von Veränderungsinitiativen parallel konfrontiert werden. Wenn ein Effizienzprogramm das nächste jagt, oder die fünfte Reorganisation innerhalb weniger Jahre ansteht, ist es schwer, diese noch immer authentisch und glaubhaft vorzuleben. Manager sollten sich deshalb auf weniger Veränderungsinitiativen konzentrieren, diese aber umso gezielter und fokussierter in die Mannschaft tragen und aktiv vorleben. Managern, denen es gelingt diesen Top-Erfolgsfaktor umzusetzen, haben bereits einen großen Schritt in Richtung Transformationserfolg getan.

Fokussierung auf kulturelle Stärken
Dank der Digitalisierung gab es noch nie so viele Möglichkeiten wie heute, mit den Mitarbeitern in den direkten Dialog zu treten und sie in Veränderungen einzubinden. Eine breite Palette an innovativen Kommunikations- und Interaktionsformaten wie Podcasts, Social Media Posts oder virtuelle Besprechungen steht zur Verfügung. Bei einer derartigen Vielzahl von Möglichkeiten verliert man schnell den Überblick und setzt aufs falsche Pferd. Die Folge: ein Glaubwürdigkeits- und Motivationsverlust im Unternehmen. Die Anpassung der Change-Maßnahmen an die Unternehmenskultur ist deshalb auch nach Einschätzung von 80 Prozent der befragten Führungskräfte unerlässlich und damit der zweite wesentliche Erfolgsfaktor. Auch dieser Faktor wird nur gelegentlich umgesetzt (21%). Um sich nicht zu verzetteln, sollten Manager bei der Auswahl der Change-Instrumente kritisch abwägen, welche Maßnahmen zur heutigen und zukünftigen Unternehmenskultur passen und welche nicht. Durch die richtige Auswahl lassen sich mit verhältnismäßig wenig Aufwand Reibungsverluste minimieren und die Transformation beschleunigen.

Professionelle Veränderungskommunikation wird langfristig geplant
Als dritter wesentlicher Erfolgsfaktor wird von den Befragten eine professionell gestaltete Kommunikation gesehen. Deren Wirksamkeit wird von 88 Prozent der befragten Führungskräfte sehr hoch bewertet. Allerdings wird auch dieser Erfolgsfaktor nur von einem Drittel der Unternehmen konsequent angewandt (30%). Diese Umsetzungsschwäche liegt nach Erfahrung der Porsche-Consulting-Berater erheblich in der Parallelität zahlreicher Veränderungsprojekte. Entscheidend ist hier eine klare Priorisierung durch das Top-Management, die sich auch in der internen Kommunikationsplanung widerspiegeln muss. Eine professionelle Veränderungskommunikation sollte systematisch aufgesetzt sein: Es wird frühzeitig definiert, wer wann welche Botschaft über welchen Kanal sendet, um die Mitarbeiter von der Richtigkeit und Notwendigkeit der Transformation zu überzeugen und sie als Unterstützer zu gewinnen.

Professionell gestaltete Veränderungskommunikation bedeutet auch, dass die interne Kommunikation durch die Kommunikationsabteilung sowie die persönliche Kommunikation durch die Führungskräfte eng miteinander verzahnt werden, um einheitliche, glaubwürdige Botschaften über alle Medien zu kommunizieren. Gerade in größeren Konzernen mit einer eigenen Kommunikationsorganisation neigen Manager dazu, ihre Kommunikationsaufgaben an diese interne Abteilung abzutreten. Ein großer Fehler: Change-Kommunikation ist eine Führungsaufgabe und darf nicht delegiert werden. Persönliche Gespräche mit der Führungskraft und regelmäßige Mitarbeiterrunden sind unverzichtbar. Als ideale Ergänzung zur Durchdringung der Organisation wirken professionelle Kommunikationsformate wie Erklärfilme, Video-Podcasts, Infoveranstaltungen mit Dialogmöglichkeiten, Testimonial- Kampagnen und Reportagen im Mitarbeitermagazin, die in der Verantwortung der internen Kommunikationsabteilung liegen. Sie sollten unbedingt begleitend, aber niemals als Ersatz für die Führungskommunikation eingesetzt werden. Unternehmen, die diesen Erfolgsfaktor beherzigen, stärken die Glaubwürdigkeit des Transformationsvorhabens und das Vertrauen in die Führungsmannschaft.

Der Schlüssel liegt in der konsequenten Umsetzung
Eine hohe Wirksamkeit schreiben die befragten Führungskräfte zwei weiteren Erfolgsfaktoren zu: Das Erzielen von schnellen sichtbaren Umsetzungserfolgen (80%) dient dazu, spürbare Verbesserungen durch die Transformation zu vermitteln und den Nutzen für die Mannschaft in den Vordergrund zu stellen. Auch hier schwächeln die befragten Unternehmen (20%). Eine ähnliche Wirksamkeit wird der Bereitstellung von ausreichend personellen und finanziellen Ressourcen zur Steuerung der Veränderung zugeschrieben (78%). An der Umsetzung mangelt es ebenfalls deutlich (19%). Auch in zahlreichen Beratungsprojekten lässt sich beobachten, dass die Steuerung des Change Management häufig auf zu wenigen Schultern verteilt wird. Wichtige Kapazitäten fehlen und nach einer Anfangseuphorie verlaufen die initiierten Maßnahmen schnell wieder im Sande.

Fazit: Top-Priorität Führungsallianz
Wie können Führungskräfte Transformationen erfolgreich machen? Der Porsche Consulting Change Managment Kompass 2020 hat darauf abschließend eine klare Antwort: Oberste Priorität hat die Schaffung einer starken Führungsallianz. Wie stark dieses Instrument ist, zeigt sich vor allem in der Wirkung der Vorbildfunktion von Führungskräften. Der Vergleich zwischen erfolgreichen Transformationen und solchen, die das angestrebte Ziel verfehlen, zeigt, dass das Vorleben von Veränderung durch die Führungsspitze einen wesentlichen Einfluss auf den Transformationserfolg hat (s. Abb. 7). Die Unternehmensführung ist Orientierungspunkt für die gesamte Belegschaft. Nur wenn Manager diese Rolle erkennen und leben, kann die strategische Transformation erfolgreich gelingen – dies ist ihre wichtigste Aufgabe für die anstehenden Veränderungen.

Abb 7. Einfluss von Führung in Veränderungen auf den Transformationserfolg

IN BRIEF

01 | 64 Prozent der Führungskräfte erwarten einen tiefgreifenden Wandel ihres Unternehmens bis 2022

02 | Die Digitalisierung sorgt in 86 Prozent der Unternehmen für große Veränderungen; 76 Prozent planen eine Reorganisation und 72 Prozent die Optimierung von Prozessen; 70 Prozent bieten ihren Kunden neue und ergänzende Dienstleistungen

03 | Große Schwierigkeiten bei der Strategieumsetzung: Nur 20 Prozent der Transformationen sind erfolgreich

04 | Unzureichende Kommunikation mit 77 Prozent und mangelnde Führung mit 73 Prozent sind die wichtigsten Ursachen für das Verfehlen der Transformationsziele

05 | Erfolgsrezept: Über 95 Prozent der Befragten sehen das konsequentere Vorleben der Veränderung durch Vorgesetze und eine stärkere Führungsallianz als Schlüssel zu einer erfolgreichen strategischen Transformation

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